Fragen und Antworten zur Missbrauchsstudie

Auszüge aus einer Zusammenstellung der Deutschen Bischofskonferenz

Fragen und Antworten zur MHG-Studie, einem von den deutschen Bistümern unabhängigen Forschungsprojekt zum Thema Sexueller Missbrauch in der römisch-katholischen Kirche in Deutschland. (Alle hier gemachten Zahlenangaben beziehen sich auf die Gesamtstudie, nicht auf das Bistum Münster.)

Was bedeutet MHG-Studie?

Das Forschungsprojekt ist ein Konsortium aus verschiedenen wissenschaftlichen Einrichtungen. Dazu gehören das Zentralinstitut für seelische Gesundheit (Mannheim), das Institut für Kriminologie der Universität Heidelberg, das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg und die Professur für Kriminologie, Jugendstrafrecht und Strafvollzug an der Universität Gießen. Aus den drei Ortsnamen Mannheim – Heidelberg – Gießen ist die Abkürzung MHG zusammengesetzt.

Was war das Ziel der Studie?

Mit der Studie will die katholische Kirche in Deutschland mehr Klarheit und Transparenz zum Thema sexueller Missbrauch an Minderjährigen erlangen - um der Opfer willen, aber auch, um selbst die Verfehlungen zu sehen und alles dafür tun zu können, dass sie sich nicht wiederholen. Mit der Studie sollen belastbare Daten erhoben werden zur Häufigkeit von und zum Umgang mit sexuellen Missbrauchshandlungen an Minderjährigen. Zudem erfolgt eine qualitative Analyse institutioneller Einflüsse im Sinne einer „Täter-Opfer-Institutionen-Dynamik“. Dabei geht es vor allem darum, eine vertiefte Einsicht über das Vorgehen der Täter und über das Verhalten von Kirchenverantwortlichen in den zurückliegenden Jahrzehnten zu erhalten. Diese Einsicht erfolgt über exemplarische Interviews mit Betroffenen, mit Verantwortlichen der Kirche sowie mit Tätern. Wichtig ist es, dass mit der Studie eine Zusammenführung bereits vorliegender nationaler und internationaler empirischer Befunde und Studienergebnisse erfolgt. 

Wie wurde das Forscherkonsortium ausgewählt?

Die Studie wurde 2013 international ausgeschrieben. Das Forscherkonsortium um Prof. Dr. Harald Dreßing als Verbundkoordinator konnte sich in der Ausschreibung durchsetzen. Das Forschungsdesign wurde am 24. März 2014 in Bonn vorgestellt. 

Wer gehört dem Beirat der Studie an?

Dem Beirat der Studie gehören an: Prof. Dr. Heiner Keupp (Wissenschaft), Prof. Dr. Friedrich Lösel (Vorsitzender des Beirates, Wissenschaft), Prof. Dr. Karlijn Demasure (Kirche), Prof. Dr. Jörg M. Fegert (Wissenschaft), Staatsministerin a. D. Roswitha Müller-Piepenkötter (Opferverbände), Matthias Katsch (Opferverbände), Bischof Dr. Stephan Ackermann (Kirche), Bischof Dr. Franz Jung (Kirche) und zwei Betroffene. 

Warum gibt es keine unabhängige Kommission, die die Studie durchgeführt hat?

Es gibt seit 2016 die vom Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs (UBSKM) einberufene unabhängige Aufarbeitungskommission in Deutschland, nachdem der Bundestag dieser zugestimmt hatte. Die Tätigkeit der unabhängigen Aufarbeitungskommission besteht im Wesentlichen darin, Anhörungen mit Opfern sexuellen Missbrauchs durchzuführen oder deren schriftliche Berichte zu lesen. Sie will aufdecken, wodurch sexuelle Gewalt in der Kindheit ermöglicht wird und herausfinden, weshalb Hilfe und Intervention nicht möglich waren. Ein weiterer Schwerpunkt liegt in der Forschungstätigkeit. Jedoch kann die Kommission im Rahmen ihrer Tätigkeit keine Ermittlungen zu einzelnen Taten oder Tätern durchführen und Zeugen oder Täter nicht vorladen. Sie nimmt keine Rechts- oder Einzelfallberatung vor und schaltet sich nicht in individuelle Fälle ein (Quelle: www.aufarbeitungskommission.de).

Die Wissenschaftler der MHG-Studie haben unabhängig gearbeitet. Die Absicht des Projekts war aber keine Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs auf der Ebene der deutschen Bistümer, sondern eine wissenschaftliche Studie zu den oben genannten Zielen. Deshalb wurde keine Kommission, sondern ein Konsortium von Wissenschaftlern beauftragt.
 

Welcher Zeitraum wurde erforscht und was ist mit der Zeit danach? 

Die Studie umfasst den Zeitraum 1946 bis 2015 (zehn Bistümer) bzw. 2000 bis 2015 (17 Bistümer), so dass die in diesem Dokument genannten Zahlen von Stand 2015 sind. Einige Teile des Forschungsprojektes bezogen sich jedoch nur auf die Zeit bis 2014. 
 

In welchen Bistümern wurden Langzeituntersuchungen durchgeführt und warum?

In neun (zehn) Diözesen wurden die Personalaktenbestände ihrer Priester ab dem 1. Januar 1946 ausgewertet. Diese wurden nach Kriterien der Zufälligkeit und Repräsentativität durch die Wissenschaftler ausgewählt: Bamberg, Berlin, Essen, Freiburg, Hamburg, Magdeburg, Paderborn, Speyer und Trier. Das Erzbistum München und Freising kam aufgrund schon geleisteter Vorarbeiten etwas später auch zu dieser Gruppe. Alle anderen Diözesen werteten die Personalaktenbestände der Priester ab dem 1. Januar 2000 aus. 

Warum wurden die Orden in der Studie nicht berücksichtigt? 

Die Ordensgemeinschaften wurden nicht gefragt, ob sie sich an der Studie beteiligen, weil eine solche Studie äußerst umfangreich gewesen wäre (440 Ordensgemeinschaften in der Deutschen Ordensobernkonferenz) und weil die Deutsche Bischofskonferenz bzw. die Bistümer keine Jurisdiktion über die Orden haben. Eine solche Studie müsste durch die Orden bzw. durch die Deutsche Ordensobernkonferenz in Auftrag gegeben werden. So wurden in der MHG-Studie nur jene Ordensleute berücksichtigt, die einen Gestellungsauftrag mit einem Bistum haben. Allerdings gibt es eine Reihe von Sonderstudien im Blick auf den Ordensbereich, z. B. der Jesuiten und der Benediktiner (Kloster Ettal).
 

Was ist ein Gestellungsvertrag?

Ein Gestellungsvertrag wird zwischen einem Bistum und einer Ordensgemeinschaft geschlossen. Die Ordensgemeinschaft stellt zur Erfüllung einer bestimmten Aufgabe im Bistum ein Ordensmitglied zur Verfügung und erhält dafür ein Gestellungsgeld. Männliche Ordensangehörige mit Gestellungsvertrag sind Bestandteil der MHG-Untersuchung. 
 

Wie hoch sind die Kosten für die Studie? 

Die Kosten der Studie, die der Verband der Diözesen Deutschlands (VDD) aufgewendet hat, liegen bei rund 1 Mio Euro. Diese wurden aus dem Etat des VDD bezahlt. 
 

Was hat die Kirche seit 2010 getan und gelernt? Was hat sich verändert? 

Seit 2010 hat ein Perspektiv- und Paradigmenwechsel stattgefunden. Nicht mehr das unbeschadete Ansehen der Kirche steht im Vordergrund, sondern der Blick auf das Leid der Opfer. Es gilt, dass man ihnen grundsätzlich glaubt, sie müssen keine Beweise für die Tat vorlegen. Lediglich die Plausibilität ihres Tatberichts wird abgefragt. Eine Kultur der Achtsamkeit etabliert sich allmählich. 

Seit 2010 hat es zahlreiche Maßnahmen gegeben, um den sexuellen Missbrauch aufzuarbeiten und zukünftig soweit wie möglich zu verhindern. Hierzu wurden unter anderem die Leitlinien zum Verhalten im Zusammenhang mit Fällen des Missbrauchs und die Rahmenordnung Prävention erstellt und überarbeitet. Es findet auf Bundesebene eine jährliche Fortbildungstagung zu Fragen sexuellen Missbrauchs statt, die Kirche unterstützt den Bund (UBSKM) in der AG Schutzkonzepte und hat sowohl am durch den UBSKM angestoßenen Monitoringprozess, durchgeführt durch das Deutsche Jugendinstitut (DJI), teilgenommen als auch in einer Vereinbarung mit dem UBSKM umfangreiche Maßnahmen zu institutionellen Schutzkonzepten verabredet. 
 

Welche Rolle spielen Ordensleute, die im Kontext der Studie nur in diözesaner Anstellung berücksichtigt wurden? 

Die Deutsche Ordensobernkonferenz (DOK) hat sowohl die Leitlinien als auch die Rahmenordnung der Deutschen Bischofskonferenz „adaptiert“, sodass für Ordensleute, die sich nicht in einem Gestellungsvertrag befinden, die gleichen Regelungen gelten wie für Ordensleute, die im Auftrag eines Bistums tätig sind. Einige Orden haben eigene Studien veranlasst (z. B. das Kloster Ettal). Die DOK nimmt am Verfahren auf Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfern sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde, über die Zentrale Koordinierungsstelle teil. 
 

Was sind konkrete Konsequenzen der Studie? 

Die Herbst-Vollversammlung der Deutschen Bischofskonferenz wird Konsequenzen aus der Studie beraten und diese dann veröffentlichen. 
 

Wie viele Beschuldigte sind bundesweit bekannt? 

Nach den Personal- und Handakten wurden 1.670 Kleriker des sexuellen Missbrauchs beschuldigt. 
 

Waren die Beschuldigten Kleriker (Aufteilung nach Priestern und Diakonen)? 

Es waren 1.429 Beschuldigte Diözesanpriester, 159 Beschuldigte Ordenspriester im Gestellungsvertrag und 24 Beschuldigte hauptamtliche Diakone. 
 

Wann sind die Taten geschehen? Gab es Taten nach der Erhebung der Studie? 

Zur zeitlichen Verteilung siehe auch Abb. 6.1 auf der S. 256 der MHG-Studie: „Bei der Analyse der zeitlichen Häufung dieser Erstbeschuldigungen ergab sich ein Muster unterschiedlicher Häufungen über die Fünfjahreszeiträume des Untersuchungszeitraums (1946 bis 2014) hinweg. Demnach ergab sich eine Häufung der Erstbeschuldigungen ab Mitte der 1950er bis Mitte der 1970er Jahre. Beim jüngsten dargestellten Zeitraum (2011 bis 2014) ist zu berücksichtigen, dass er aufgrund der Erhebungsfristen des Forschungsprojektes nur vier Jahre umfasste und deshalb entsprechend weniger Erstbeschuldigungen umfasste.“ 
 

Wie viele Betroffene gibt es und wie ist das Verhältnis von männlichen zu weiblichen Betroffenen? Wie ist die Altersstruktur? 

Insgesamt konnten nach Personal- und Handakten 3.677 Kinder und Jugendliche als von sexuellem Missbrauch betroffen zugeordnet werden (Seite 5 der MHG-Studie). 62,8 Prozent der Betroffenen waren männlichen und 34,9 Prozent weiblichen Geschlechts. Bei 2,3 Prozent fehlten Angaben zum Geschlecht. Zur Altersstruktur vgl. S. 6 der MHG-Studie: „Beim ersten sexuellen Missbrauch waren 51,6 Prozent der Betroffenen bis maximal 13 Jahre alt. Vierzehn Jahre und älter waren 25,8 Prozent; bei 22,6 Prozent war das Alter unbekannt (TP 6). Das mittlere Alter von Betroffenen, von denen das Alter bekannt war, lag bei 12,0 Jahren (TP 6 und TP 3) bzw. bei 10,6 Jahren (TP 2).“ 
 

Können sich noch weitere Betroffene melden? 

Betroffene können sich weiterhin an die Ansprechpersonen der Diözesen wenden, die auf der Homepage dbk.de und auf den entsprechenden Websites der Diözesen zu finden sind. Ein Beratungstelefon für Betroffene, die im Rahmen der Berichterstattung Unterstützung benötigen sowie ein begleitendes Internetportal, werden vom 25. September an für einige Tage bereit stehen. 
 

Was ist auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz an Präventionsmaßnahmen erfolgt? 

Im Jahr 2011 wurde durch die Deutsche Bischofskonferenz ein Fonds zur Förderung von Präventionsprojekten innerhalb und außerhalb der katholischen Kirche eingerichtet, der mit einem Kapital von 500.000 Euro ausgestattet war. Insgesamt wurden daraus 43 Projekte gefördert. Im Jahr 2010 wurde die Rahmenordnung Prävention in Kraft gesetzt, die die Schutzmaßnahmen grob definiert. Damit erging der Auftrag an die Diözesanbischöfe, die Vorgaben der Rahmenordnung in diözesanen Präventionsordnungen zu spezifizieren. Zwei Vereinbarungen mit dem UBSKM (2012 und 2016) haben das Ziel, die Umsetzung der Präventionsmaßnahmen transparent zu machen. Es finden jährliche Fortbildungen für Generalvikare, Personalverantwortliche, Missbrauchs- und Präventionsbeauftragte statt (vgl. unten). Im Jahr 2015 wurde die Bundeskonferenz der diözesanen Präventionsbeauftragten eingerichtet (vgl. unten). Diese setzt sich dafür ein, dass in allen Diözesen einheitlich geltende Schutzstandards entwickelt werden. Die Bundeskonferenz hat hierzu einige Materialien entwickelt: Arbeitshilfe „Kinder haben Rechte“ und die Leitprinzipien (beide sind online verfügbar). 
 

Was ist auf Ebene der Deutschen Bischofskonferenz an strukturellen Maßnahmen erfolgt? 

In einer Erklärung der Frühjahrs-Vollversammlung am 25. Februar 2010 Veröffentlichung der vier Leitgedanken: „die Wahrheit aufdecken, die Leitlinien auswerten, die Prävention stärken und Verantwortung verorten“. Ernennung des Beauftragten für Fragen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich, seit 2015 mit dem Zusatz „und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes“. Einrichtung des Büros für Fragen sexuellen Missbrauchs Minderjähriger im kirchlichen Bereich, seit 2015 mit dem Zusatz „und für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes“. Von 2010 bis 2011 Teilnahme am Runden Tisch sexueller Kindesmissbrauch in Abhängigkeits- und Machtverhältnissen in privaten und öffentlichen Einrichtungen und im familiären Bereich der Bundesregierung. 

Erste Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz zum Vorgehen bei sexuellem Missbrauch wurden bereits im Jahr 2002 veröffentlicht. Überarbeitung der Leitlinien 2010. Erneute Überarbeitung 2013. (Rahmenordnung Prävention und Präventionsfonds s. o.). Seit 2011 findet eine jährliche Fortbildungstagung zu unterschiedlichen Themen zum sexuellen Missbrauch statt, die sich an Generalvikare, Personalverantwortliche, Präventions- und Missbrauchsbeauftragte richtet. Seit November 2015 unterstützt die Bischöfliche Arbeitsgruppe für Fragen des Kinder- und Jugendschutzes den Beauftragten. 2011 Einrichtung des Verfahrens auf Leistungen in Anerkennung des Leids, das Opfern sexuellen Missbrauchs zugefügt wurde, seit 2013 Teilnahme am Ergänzenden Hilfesystem des Bundes. Mitarbeit in der AG Schutzkonzepte und im Beirat des UBSKM. In 2015 Einrichtung der Bundeskonferenz der diözesanen Präventionsbeauftragten. 
 

Werden alle Verdachtsfälle an die Glaubenskongregation in Rom gemeldet?

Eine generelle Meldepflicht an die Glaubenskongregation besteht erst seit dem entsprechenden Päpstlichen Gesetz von 2001 (Motu Proprio Sacramentorum sanctitatis tutela), allerdings nur, wenn der Beschuldigte noch nicht verstorben ist. 
 

Gibt es Strafen/Kirchenstrafen? 

Es gibt im kirchlichen Rechtsbereich Strafen. Für Kleriker (Priester und Diakone) gibt es zum einen die sogenannte Suspension. Sie besteht darin, dass ihm alle oder auch nur einige Akte seiner Ausübung der Rechte als Kleriker, die er durch die Weihe erhalten hat, untersagt werden. Die Suspension eines Klerikers ist eine sogenannte Beugestrafe, die zum Ziel hat, dass sich der Straftäter von seinem falschen Weg abwendet und Verantwortung für seine Taten übernimmt. Zum anderen gibt es die Entlassung aus dem Klerikerstand als Strafe. Sie wird bei schweren Straftaten verhängt, so auch bei sexuellem Missbrauch von Minderjährigen. Es handelt sich dabei um die dauerhafte Entbindung von den Rechten und Pflichten des Klerikers. 
 

Welche Rolle spielt das Geheimarchiv? 

Die Sorge, dass die im kirchlichen Gesetzbuch (vgl. c. 489 § 2 CIC) ausgesprochene Verpflichtung zur Vernichtung von „Akten der Strafsachen in Sittlichkeitsverfahren, deren Angeklagte verstorben sind oder die seit einem Jahrzehnt durch Verurteilung abgeschlossen sind“, eine wissenschaftliche Untersuchung der Missbrauchsfälle vereiteln würde, ist weitgehend unbegründet, weil das Kirchenrecht von Strafsachen in Sittlichkeitsverfahren spricht. Es ist zunächst zu prüfen, inwieweit tatsächlich Verfahrensakten existieren oder ob es sich vielleicht nur um Hinweise auf Sittlichkeitsdelikte handelt, die nicht zu einem kanonischen Verfahren geführt haben. Letztere werden nicht vernichtet. Außerdem bleiben auch bei den tatsächlich zu vernichtenden Verfahrensakten die zentralen Informationen weitgehend erhalten, da der Fall und das Endurteil aufzubewahren sind. Die vom Kirchenrecht geforderte Zusammenfassung sollte so gestaltet sein, dass kein Informationsverlust erfolgt. 
 

Zur Frage des direkten Zugangs von Wissenschaftlern zu diözesanen Personalakten und zu den Bestimmungen des Canon 489 § 2 CIC

1. Das mit dem Forschungskonsortium vereinbarte Projekt stützte sich bei der Analyse von Personalakten auf Angaben in Erhebungsbögen, die die Wissenschaftler den Mitarbeitern jedes Bistums zur Verfügung stellten. Somit hatten die Wissenschaftler keinen direkten Einblick in die Personalakten, sondern konnten mit den ihnen durch die Fragebögen übermittelten Angaben arbeiten. 

In der früher mit dem Kriminologischen Forschungsinstitut Niedersachsen e. V. (KFN) und Prof. Dr. Christian Pfeiffer vereinbarten Forschungsarbeit war vertraglich niedergelegt worden, dass Archivmitarbeiter der jeweiligen Diözese in einem ersten Schritt sämtliche Personalakten von Priestern und Diakonen daraufhin durchsehen sollten, ob gegen sie der dringende Tatverdacht eines sexuellen Missbrauchs bestanden hat. Nur diese Personalakten sollten dann in die empirische Untersuchung einbezogen werden. Ferner war vereinbart, mit der Durchführung der Aktenanalyse ehemalige Richter und Staatsanwälte zu beauftragen. In den Räumen der Diözesen sollten sie aus den Täterakten die relevanten Daten in die vom KFN entwickelten Erhebungsbögen übertragen. Es ist somit klar, dass weder im KFN-Projekt noch bei der MHG-Studie Wissenschaftler direkten Zugang zu den Personalakten haben sollten und hatten. Beim KFN-Projekt wurde allerdings durch Beiziehung von ehemaligen Richtern und Staatsanwälten eine zweite Ebene geschaffen. Gleichwohl gilt auch beim KFN-Projekt, dass sich die Forschungsarbeit auf die Vorarbeiten der diözesanen Archivmitarbeiter hätte stützen und verlassen müssen. Es ist also irreführend zu sagen oder zu suggerieren, die MHG-Studie sei (im Unterscheid zum geplanten Vorgängerprojekt) ohne „Öffnung der Archive“ erfolgt.
 
2. Der Canon 489 § 2 CIC (betr. „Geheimarchiv“) sieht vor, dass „Akten der Strafsachen in Sittlichkeitsverfahren, deren Angeklagte verstorben sind oder die seit einem Jahrzehnt durch Verurteilung abgeschlossen sind“ vernichtet werden müssen. Es geht also um Akten aus Verfahren, nicht lediglich um Hinweise auf Sittlichkeitsdelikte, die kein kanonisches Verfahren nach sich gezogen haben. Selbst Verfahrensakten, die vernichtet werden sollten (z. B. wenn der Angeklagte verstorben ist), müssen nach kanonischem Recht weiterhin bekannt bleiben: Das Endurteil und eine Zusammenfassung des Falles müssen zugänglich bleiben und so gestaltet sein, dass kein Informationsverlust erfolgt. 

3. Das Thema Aktenführung in den Bistümern ist schwierig und stellt einen besonderen Fokus der MHG-Studie dar. Dass es im kanonischen Recht Kassationsvorschriften gibt, ist im Nachhinein nicht zu ändern und stellt ganz offensichtlich keine Beschränkung der wissenschaftlichen Arbeit dar, die deren Validität infrage ziehen würde. 

Gibt es einen Zusammenhang zwischen homosexuellen Priestern und Missbrauch? 

In der Studie heißt es dazu: „Monokausale Erklärungen für das deutliche Überwiegen männlicher von sexuellem Missbrauch betroffener Kinder und Jugendlicher durch Kleriker der katholischen Kirche greifen zu kurz. (…) In diesem Kontext sind deshalb auch ambivalente Aussagen und Haltungen der katholischen Sexualmoral zur Homosexualität und die Bedeutung des Zölibats zu diskutieren. Die Verpflichtung zu einem zölibatären Leben könnte Priesteramtskandidaten mit einer unreifen und abgewehrten homosexuellen Neigung als Lösung innerpsychischer Probleme erscheinen, die zusätzlich die Aussicht auf ein enges Zusammenleben ausschließlich mit Männern (…) mit sich bringt. Insoweit könnten spezifische Strukturen und Regeln der katholischen Kirche ein hohes Anziehungspotential für Personen mit einer unreifen homosexuellen Neigung haben. (…) Das komplexe Zusammenspiel von sexueller Unreife, abgewehrten und verleugneten sowie die zum Zeitpunkt der Berufswahl möglicherweise latenten homosexuellen Neigungen in einer ambivalenten, teilweise auch offen homophoben Umgebung könnte also eine weitere Erklärung für das Überwiegen männlicher Betroffener beim sexuellen Missbrauch durch katholische Kleriker bieten. Allerdings sind weder Homosexualität noch Zölibat eo ipso Ursachen für sexuellen Missbrauch von Minderjährigen.“ (Vgl. S. 11 der Studie) 
 

Was ist das Beichtgeheimnis und kann das Beichtgeheimnis aufgehoben werden? 

Das Beichtgeheimnis erstreckt sich auf alle innerhalb der sakramentalen Beichte erworbenen Kenntnisse und ist unter allen Umständen, auch über den Tod des Beichtenden hinaus, einzuhalten. Die Verletzung des Beichtgeheimnisses wird innerkirchlich streng bestraft. Das Beichtgeheimnis ist gegenüber Eingriffen auch von staatlicher Seite geschützt (vgl. Zeugnisverweigerungsrecht in Zivilprozessordnung und Strafprozessordnung). Es besteht allerdings für den Beichtvater die Möglichkeit, die Absolution zu verweigern. 

Der Beichtpriester kann und muss im Übrigen den deutlichen Versuch unternehmen, den Beichtenden im Fall sexuellen Missbrauchs dazu zu bringen, sich seiner Verantwortung zu stellen. Alles, was im seelsorglichen Gespräch außerhalb der Beichte im engen Sinn des Sakraments besprochen wird, unterliegt dieser strengen Geheimhaltung nicht.
 

Was ist der Gebetstag für Opfer sexuellen Missbrauchs? 

Die Bischofskonferenz hat beschlossen: Um das Anliegen von Papst Franziskus, der den nationalen Bischofskonferenzen seine Bitte zur Einrichtung eines „Tages des Gebetes und der Buße für die Opfer sexuellen Missbrauchs“ übermittelt hat, aufzugreifen, wird der Gebetstag jetzt auch in Deutschland durchgeführt werden. Der Gebetstag soll im zeitlichen Umfeld des durch den Europarat initiierten „Europäischen Tages zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch“ begangen werden. Dieser findet seit 2015 jeweils am 18. November statt. Die Ziele des europäischen Tages sind es, Impulse für einen verbesserten Kinderschutz zu geben und die Gesellschaft weiterhin für die Thematik des sexuellen Kindesmissbrauchs zu sensibilisieren. 

Auf der Homepage der Deutschen Bischofskonferenz werden rechtzeitig Materialien zum Gebetstag für Missbrauchsopfer bzw. zum Europäischen Tag zum Schutz von Kindern vor sexueller Ausbeutung und sexuellem Missbrauch zur Verfügung gestellt werden