"Die schönste Zeit meines Lebens“

, Bistum Münster

Ein lautes Summen erhebt sich, dringt bis in den letzten Winkel der Münsteraner Jugendkirche „effata“. Es ist kein Bienenschwarm, der diesen Lärm verursacht. Es sind 320 Jugendliche, darunter viele Firmlinge, die am 14. September zum Jugendgebetsabend mit Bischof Dr. Felix Genn gekommen sind. Das Summen signalisiert die Zustimmung der Jugendlichen zur Aussage: „Das Schöne am Erwachsensein ist, dass man selbstständig ist.“ Kaum hörbar ist die Menge dagegen als es heißt: „Ich will noch gar nicht erwachsen sein.“ Eine spielerische Annäherung an das Thema des Abends „Erwachsen[?]“.

„Als ich von dem Thema erfuhr, habe ich mich erst einmal gefragt, was das eigentlich mit mir zu tun hat“, wandte sich Bischof Genn direkt an die Jugendlichen aus Herten, Kalkar, Wettringen, Neuenkirchen, Ahaus, Ascheberg, Alverskirchen, Willen, Wessum, Laer-Holthausen Beerlage, Dülmen, Borken und Münster. „Und schnell kamen mir Bilder in den Sinn von dem, was ich erlebt habe, als ich so alt war wie ihr. Es war die schönste Zeit meines Lebens“, betonte er. Drei Dinge gehörten für jeden auf dem Weg des Erwachsenwerdens dazu, zeigte sich Genn überzeugt: „Die Abnabelung von den Eltern, das Entdecken der eigenen Sexualität und die Erfahrung des eigenen Willens.“

Bei der näheren Erläuterung gab er persönliche Einblicke in sein Leben. „Es ist spannend zu erleben, dass der Wunsch aufkommt: ich will ich selber sein, frei sein, selbstbestimmt.“ Diese Erkenntnis sorge aber auch für „Zoff daheim“, wenn die Eltern andere Vorstellungen davon hätten, was gut für ihr Kind sei. „Die Beziehung zu euren Eltern ändert sich. Und ich hoffe, dass ihr mit euren Eltern streiten könnt. Diese Erfahrung der Auseinandersetzung ist wichtig, um euch auszuprobieren, aber auch um zu lernen, dass jede Freiheit ihre Grenzen hat“, betonte Genn. „Damals fand ich die Worte meiner Eltern oft blöd“, fuhr er zum Erstaunen der Jugendlichen fort. „Aber jetzt mit knapp 70 Jahren kommen mir ihre Worte ab und an wieder in den Sinn. Und ich muss zugeben, die Eltern hatten auch mal recht“, gab er schmunzelnd zu.

Beim Thema Sexualität betonte der Bischof ihren großen Wert. „Die Sexualität ist eine wertvolle Gabe, die Gott uns gegeben hat.“ Und es sei wichtig, Menschen zu haben, mit denen man über das Thema sprechen könne, „über die Fragen, die sich euch stellen. Auch ich habe und brauche Menschen, mit denen ich vertrauensvoll sprechen kann“, berichtete er.

„Und ihr befindet euch in einer Phase eures Lebens, in der die Stimme des Gewissens erwacht. Ganz tief in dir regt sich etwas und plötzlich weißt du: das ist es, was ich machen will.“ Auch das berge Konfliktpotential in sich. Vor allem dann, wenn die Eltern eine andere Vorstellung beispielsweise von der Berufswahl hätten. „Mein Vater wollte, dass ich Landwirt werde. Ich wollte aber Priester werden“, plauderte Genn aus dem Nähkästchen und betonte: „ Bleib bei dir. Hör auf das, was in dir ist.“

Dass der Bischof mit seinen Worten den Nerv der Jugendlichen getroffen hatte, zeigte sich beim anschließenden Lied „Ich glaube an dich“, das die effata-Band anstimmte. Mit lautem Klatschen sangen die Firmlinge begeistert mit. „Das nenne ich mal lebendig beten“, freute sich der Bischof über die Begeisterung der Jugendlichen. 

„Es war toll, dass der Bischof so persönlich von sich erzählt hat“, zog David aus Ascheberg im Anschluss ein Fazit. Vor allem das, was der Bischof über die sich verändernde Beziehung zu den Eltern erzählt hat, hat den 14-Jährigen beeindruckt. „Das hat er gut auf den Punkt gebracht. Und er hat mich angeregt, weiter darüber nachzudenken, wie ich mich so verhalte, auch gegenüber meinen Eltern“, erzählte der Jugendliche. „Ich habe nicht erwartet, dass der Bischof so offen redet“, ergänzte Katharina aus Laer. Nicht nur der Bischof hat die 15-Jährige begeistert, sondern auch die Atmosphäre in der Jugendkirche: „Das war richtig cool, mit der Musik, den Videos, dem Licht.“

Text und Foto: Jürgen Flatken