Europa-Pilger Hans Gerd Paus feiert Jahresbeginn in Südtirol

, Kreisdekanat Kleve, Kreisdekanat Warendorf

Der Advent war etwas stressig. „Ich wollte Weihnachten unbedingt bei meinen Freunden Simone und Paul und ihren Kindern im Jaufental in Südtirol verbringen“, erzählt Hans Gerd Paus. Schnee und Eis verhinderten an manchen Tagen ein zügiges Vorankommen, gesperrte Wanderwege erforderten die gefährliche Überquerung des Fernpasses auf der Straße.

Mit seinen Freunden Paul (links) und Simone Strickner und ihren Kindern verbrachte Hans Gerd Paus das Weihnachtsfest und den Jahreswechsel in Südtirol.

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Seit Juli 2023 ist der frühere Gefängnisseelsorger aus Geldern, der inzwischen in Sendenhorst seinen Wohnsitz hat, zu Fuß unterwegs, um vom nördlichsten zum südlichsten Punkt Europas und vom östlichsten zum westlichsten zu laufen. Im Nordkap gestartet, passierte er Mitte November das Münsterland, um nach drei Tagen weiter gen Süden zu pilgern. „Paul kenne ich schon, seit ich 1993 eine Saison als Hüttenwirt auf 3.194 Metern in den italienischen Alpen gearbeitet habe“, berichtet Paus. Eine enge Freundschaft mit regelmäßigen gegenseitigen Besuchen ist daraus entstanden. Weihnachten mit dem Freund und seiner Familie zu feiern, war deshalb ein Herzenswunsch des Pilgerenden. „Ich habe mir kein Verweilen mehr gegönnt, bin jeden Tag gelaufen“, sagt Paus. „Es war eine Punktlandung“, berichtet der Priester mit etwas Stolz vom Einlaufen am Abend des 23. Dezembers in den weihnachtlich geschmückten Ort Sterzing. 

Weil der heimische Pfarrer erkrankt war, feierte Hans Gerd Paus die Weihnachtsgottesdienste, den Neujahrsgottesdienst und die Aussendung der Sternsinger in der Pfarrei.

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Elf Tage verbrachte Paus bei Familie Strickner, erledigte Einkäufe, ging mit den Kindern rodeln, werkelte mit Holz in der Werkstatt. Weil der heimische Pfarrer der katholischen Gemeinde erkrankt war, feierte Paus nicht nur sämtliche Weihnachtsgottesdienste, sondern übernahm auch den Neujahrsgottesdienst und die Aussendung der Sternsinger in der südtiroler Pfarrei. „Diese kleine Auszeit hat gut getan“, sagt der 66-Jährige und meint damit nicht nur den Luxus einer Waschmaschine und eines warmen Bettes. Längst hat Paus, der seit Beginn seiner Reise nie länger als zwei Nächte an einem Ort verbracht hat, festgestellt: „Ich lerne mich selbst besser kennen.“ Der Umgang mit Einsamkeit und die innere Sehnsucht nach Heimat seien beispielsweise Themen, mit denen er sich auseinandersetzt. 

Regelmäßige Kontakte zu Menschen sind ihm wichtig: „Ich verspüre manchmal einen Hunger nach Gesprächen und kurz darauf hat sich meist immer ein solcher tiefer Dialog ergeben“, berichtet er. Bis heute pflegt er Kontakt zu Menschen aus Skandinavien, die er während seiner ersten Reisewochen kennengelernt hat. „Ich erinnere mich oft mehr an die Begegnungen als an die Natur zurück“, erklärt Paus, der täglich in einem Blog in Bild und Text von seinen Erlebnissen berichtet. Wenige unangenehme Begegnungen ausgenommen, ist er immer wieder beeindruckt von der Freundlichkeit und Aufmerksamkeit der Menschen: „Kürzlich in Italien hatte ich einen Hexenschuss und mein Herbergsvater hatte meinen Namen gegoogelt, war auf meinen Blog gestoßen und brachte mir unaufgefordert ein Wärmepflaster“, erzählt Paus, gerührt von der Liebenswürdigkeit des Italieners. 

Bichlbach: Wunderschöne Schneelandschaften begleiteten Hans Gerd Paus im Advent auf seiner Pilgerstrecke, wie hier in Bichlbach in Österreich.

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Gemischte Gefühle gab es bei seinem Aufbruch am 3. Januar: „Es schlugen zwei Herzen in meiner Brust – Bleiben und Aufbrechen. Mir war klar, dass ich aufbreche, aber es fiel mir schwerer als an manch anderen Tagen“, sagt Paus. Doch seine Freunde Simone und Paul machten ihm den Abschied leicht und begleiteten ihn 30 Kilometer bis Brixen. 
Mehr als 4.600 Kilometer liegen inzwischen hinter ihm, 25 Kilometer läuft er durchschnittlich pro Tag, das vierte Paar Wanderschuhe wird derzeit eingelaufen. „Ich habe ein bisschen gemogelt und Schrauben in die Absätze gedreht, damit sie nicht so einen hohen Abrieb haben“, verrät Paus lachend. In den kommenden Wochen wird er seine Pilgertour entspannter fortsetzen, sich hier und da auch mal einen Tag Pause gönnen. „Ich möchte die Landschaft, die Städte, die Begegnungen ja auch genießen.“ Auf Verona freut er sich besonders „und auf alles, was südlich von Rom liegt wie Neapel, Pompeji, den Ätna, da war ich nämlich noch nie.“ 

Ann-Christin Ladermann