Dankbar ist die Münsteranerin für die sechs verbliebenen Tage bis zum Abflug. „Ich habe versucht, mich von allen zu verabschieden und möglichst viel Zeit mit Menschen verbracht, die mir wichtig sind“, blickt Carla Schößler zurück. Außerdem hat sie viele Briefe an die Menschen vor Ort geschrieben. Traurig ist sie, dass sie sich nicht mehr von allen Schülerinnen und Schülern verabschieden konnte. Acht Monate hatte Carla Schößler in einer Grundschule mitgearbeitet, im sogenannten „Kids Club“ Deutschunterricht erteilt und Talentwettbewerbe durchgeführt. „Aber ich werde wiederkommen“, plant die 18-Jährige für die Nach-Corona-Zeit eine Rückkehr nach Ghana. Bei der sie dann hoffentlich einige der Kinder wiedersieht.
Ans Herz gewachsen ist Carla Schößler vor allem ihre Gastfamilie. „Ich habe in Damongo eine zweite Familie gefunden“, weiß sie. Der Abschied von ihrer kleinen Gastschwester Titiaka ist ihr am schwersten gefallen. Noch oft ist sie in Gedanken in Ghana, hat Momente, in denen sie sich zurückwünscht. „Ich vermisse vor allem die kleinen Dinge: Morgens auf dem Weg zur Schule mit meiner Schwester Lieder singen, der Blick auf den Mole-Nationalpark, die Begrüßung mit ‚Aunty Carla‘, wenn ich in die Klasse kam – und natürlich das Gefühl absoluter Freiheit.“
Sebastian Aperdannier, Franziska Barthelt und Judith Wüllhorst aus dem Referat Freiwilligendienste im Ausland des Bistums Münster haben sich um die Rückreise der jungen Erwachsenen gekümmert. Was nicht so einfach war, weil der internationale Flugverkehr zunehmend eingeschränkt wurde. „Wir haben den allerletzten Flug erwischt, bevor der Flughafen geschlossen wurde“, berichtet Carla Schößler von der abenteuerlichen Rückreise. Für die Bemühungen des Bistumsteams ist sie dankbar: „Wir haben uns sehr gut betreut und begleitet gefühlt, wir standen in ständigem Kontakt mit Münster.“
Zurück in Deutschland war es mit dem Gefühl der Freiheit schnell vorbei. Viele Einschränkungen warteten auf die 18-Jährige. „Ich hatte meine Freunde seit Monaten nicht gesehen, war ihnen plötzlich so nah und konnte sie doch nicht treffen“, erzählt Carla Schößler. Doch die Zeit des totalen Lockdowns hat sie genutzt, für ihre Familie ghanaisch gekocht, afrikanische Tänze einstudiert und weiter Gonja, die ghanaische Sprache des Gonja-Volkes, gelernt. Täglich telefoniert und schreibt sie mit ihrer Gastfamilie und Freunden in Ghana und hat erfahren, dass auch dort das Leben mehr oder weniger zum Erliegen gekommen. Neben der offiziellen Zahl der an Covid-19-Erkrankten rechnet man in den afrikanischen Staaten mit einer hohen Dunkelziffer an unerkannten und nicht registrierten Infizierten. „Ich bin dankbar, dass meine Familie hier und in Damongo gesund ist und bete jeden Tag, dass sich das Virus vor alle in Ghana nicht weiter ausbreitet.“
Ann-Christin Ladermann