Über Gevelsberg und das Aufnahmelager in Xanten kamen Baumgartner und seine ältere Schwester nach Borghorst. Bis 1993 waren sie in Wohncontainern am Rathaus untergebracht. Deutsch hat sich Albert Baumgartner selbst beigebracht: „Ich konnte vorher kein einziges Wort.“ Nachdem die Ausreise offiziell möglich war, entschlossen sich auch die Eltern und weitere Geschwister, nach Deutschland zu gehen. Die Familie konnte den Behörden ihre deutsche Abstammung nachweisen.
Heute fühlen sie sich sehr wohl, Albert Baumgartner und seine Frau haben ein Eigenheim in Burgsteinfurt gebaut: „Wir haben tolle Nachbarn und viele Kontakte“, ist er rundum zufrieden. Seit 24 Jahren ist der gelernte Schreiner bei der Firma Atair in Borghorst, hat sich zum Lagerleiter hochgearbeitet. Seine Frau ist in der Altenpflege, die beiden Kinder studieren beziehungsweise beginnen bald eine Ausbildung.
Die Baumgartners sind auch in der deutschen Pfarrei gut integriert. Wenn kein muttersprachlicher Gottesdienst ist, gehen sie sonntags in die St.-Johannes-Nepomuk-Kirche. Doch besonders Albert Baumgartner, der in Rumänien lange Messdiener war, möchte die Bräuche und Traditionen aus der alten Heimat nicht missen: „Die Lieder wecken Erinnerungen“, sagt er und gesteht: „Manchmal läuft mir beim Singen ein Schauer über den Rücken.“ Vor allem an den Hochfesten wie Weihnachten und Ostern.
30, manchmal 40 Gemeindemitglieder kommen regelmäßig zum Gottesdienst in die Kapelle des UKM-Marienhospitals. Albert Baumgartner würde sich freuen, wenn es mehr wären. Doch der allgemeine Trend in der katholischen Kirche Europas macht auch vor der rumänischen Gemeinde nicht Halt. Zur Freude aller ist kürzlich eine neue Familie dazugekommen. Die Frau könne wunderbar Orgel spielen, schwärmt Baumgartner. Die Atmosphäre sei dadurch nochmal so schön.
Nach der Messe gehen die Rumänisch sprechenden Katholiken nicht gleich auseinander. In einem der Konferenzräume des Krankenhauses versammeln sich die, die Zeit haben. Jeder bringt etwas mit, bevorzugt traditionelle Speisen. Legendär sind dabei die Kohlrouladen von Baumgartners Mutter, die noch während des Gottesdienstes auf dem Herd köcheln, damit sie passend zum anschließenden Mittagessen fertig sind.
Gudrun Niewöhner