„Für diese Menschen bricht derzeit eine Welt zusammen“, berichtete der Fachbereichsleiter Arbeitsmarktintegration der Caritas Ostvest, Michael Halberstadt. Der Leiter des Sozialkaufhauses in Haltern am See und Prokurist der dortigen Jugendwerkstatt kann derzeit viele Arbeitsverträge von Menschen nicht verlängern, die aus den unterschiedlichsten Gründen auf dem ersten Arbeitsmarkt keinen Platz finden. Krankheiten, Sprachprobleme, Suchterkrankungen, Behinderungen oder persönliche Schicksalsschläge sind oft die Auslöser ihrer schwierigen Lebenssituation. „Unsere begleitenden Angebote helfen ihnen dabei, ihrem Leben Struktur zu geben, sich zu qualifizieren und Perspektiven für weitere Schritte zu entwickeln.“
Die derzeit wegbrechende Finanzierung durch die Kürzungen im Bundeshaushalt stellt diese vielseitige Ausrichtung in Frage. Geld für das Ziel, bürgergeldbeziehende Langzeitarbeitslose mittelfristig in den Arbeitsmarkt zu integrieren, steht nicht mehr zur Verfügung. Die Frage an die Politik formulierten die Caritas-Vertreter deutlich: Wie sollen wir unter diesen Voraussetzungen unserer Aufgabe für diese uns anvertrauten Menschen erfüllen?
„Ich bin vom Instrument der Eingliederungshilfe überzeugt“, betonte der Bundestagsabgeordnete der münsterschen CDU, Dr. Stefan Nacke. Als Direktkandidat für die kommende Wahl sprach er sich für „verlässliche Summen“ aus, um die Integration in Arbeit und somit auch in die Gesellschaft dauerhaft und zuverlässig zu ermöglichen: „Das hat für mich Priorität – dafür müssen gegebenenfalls auch neue Finanzierungs-Strukturen geschaffen werden.“
Auch Thomas Kollmann, SPD-Rats-Mitglied in Münster, kritisierte die Kürzungen der Bundesmittel. „Der soziale Arbeitsmarkt ist enorm wichtig – die Lobby für die Betroffenen ist aber leider nicht sehr groß.“ Als Leiter eines Begegnungszentrums in einem münsterschen Stadtteil und Mitglied in verschiedenen sozialen Vereinen dort kenne er die vielseitig positive Wirkung arbeitsintegrativer Angebote auf die Stadtgesellschaft.
Sylvia Rietenberg, Direktkandidatin der münsterschen Grünen bei den anstehenden Bundestagswahlen, sprach das Problem der Wirksamkeits-Analyse an, die eingefordert werde. „Wenn es wenig Mittel gibt, müssen wir auch darauf schauen, wo und wie sie eingesetzt werden.“ Mit den Diskussions-Teilnehmenden war sie sich einig, dass der Erfolg der Maßnahmen aber nicht in der Vermittlungs-Quote auf den ersten Arbeitsmarkt gemessen werden kann. „Das darf nicht Agenda sein“, so Rietenberg. „Es müssen auch die in den Blick genommen werden, die diesen nie erreichen können.“
Die Angebote der Caritas erfüllen genau diesen Anspruch. „Für diese Mitarbeiter bedeutet die Integration in Arbeit Selbstwertgefühl, Alltags-Struktur, soziale Kontakte, Sprachschule, gesellschaftliche Teilhabe und vieles mehr“, sagte Hans-Peter Merzbach aus dem Caritasverband Ahaus-Vreden. Ihre Arbeit dürfe deshalb nicht allein als Qualifizierungsmaßnahme, schon gar nicht als Disziplinierungsmaßnahme gesehen werden. „Es geht vielmehr darum zu schauen, welche Motivation, Unterstützung und Perspektive sie in ihrer Arbeit finden können, um ihren Lebensweg selbstständig gestalten zu können.“ Dieser Grundsatz der Caritas-Arbeit werde jedoch viel zu selten wahrgenommen. „Er ist aber ein Signal an alle Menschen, die für Sozialpolitik verantwortlich sind.“
Von Recke bis Recklinghausen, von Emmerich bis Lengerich – die Caritas im Bistum Münster ist für Menschen in Notsituationen da. Ob Jung oder Alt, Alleinstehend oder Großfamilie, mit Behinderung oder Migrationshintergrund, körperlicher oder psychischer Erkrankung. Unter dem Motto „Not sehen und handeln“ sind 80.000 hauptamtliche Mitarbeitende und 30.000 Ehrenamtliche rund um die Uhr im Einsatz. Für die Hilfe vor Ort sorgen 25 örtliche Caritasverbände, 18 Fachverbände des Sozialdienstes katholischer Frauen (SkF) und 3 des SKM – Katholischer Verein für Soziale Dienste. Hinzu kommen unter anderem 57 Kliniken, rund 150 Einrichtungen der Behindertenhilfe, 205 Altenheime, 105 ambulante Dienste, 115 Tagespflegen, 27 Pflegeschulen, 89 Kindertageseinrichtungen und 22 stationäre Einrichtungen der Erziehungshilfe.
Text: Michael Bönte