„Landwirtschaft und Kirche sind eng miteinander verknüpft“

, Kreisdekanat Warendorf

So viele Schweine auf einmal hat Evgenia Michalitzina noch nie gesehen. Und sie weiß jetzt auch, wie Kühe gemolken werden. „Ich habe viel Neues gelernt“, sagt die 22-jährige Germanistikstudentin aus Russland. Was das Fachwissen angeht, sind ihr die übrigen 23 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des 121. Internationalen Hauptkurses an der Landvolkshochschule (LVHS) in Freckenhorst um einiges voraus. Alle bringen landwirtschafte Erfahrung mit und planen mittelfristig einen Betrieb zu führen. Evgenija dagegen nutzt den Kurs als Sprachpraktikum – dank einer Kooperation ihrer Universität in Perm mit der LVHS. 28 Tage lang haben sich die Teilnehmer mit fachlichen, gesellschaftspolitischen und ethischen Fragen rund um das Thema Landwirtschaft beschäftigt. Am 3. Februar erhielten sie ihre Zertifikate aus den Händen von Regierungspräsidentin Dorothee Feller.

„Wer bin ich, woher komme ich und welche Werte prägen mein Leben?“, zählt Hermann Benning aus Reken nur einige Fragen auf, mit denen er und seine Mitstreiter sich im ersten Block auseinandergesetzt haben. Im weiteren Verlauf ging es unter anderem um einen achtsamen Umgang mit Lebensmitteln, um landwirtschaftliches Ehrenamt, um die Spielregeln der Demokratie in Europa und der Welt sowie um Medienarbeit. 

Der 21-jährige studierte Landwirt kennt die Herausforderungen, vor denen sein Berufsstand im 21. Jahrhundert steht: „Wir müssen uns die Akzeptanz in der Bevölkerung sichern und an unserem Bild in der Öffentlichkeit arbeiten.“ Viele seien der Entwicklung hin zur modernen Landwirtschaft gedanklich nicht gefolgt. Auch der Druck des Weltmarktes und der daraus resultierende Strukturwandel setze die Berufsgruppe unter Druck. „Die gemeinsame Stimme der Landwirte in der Gesellschaft geht zurück, die Bedeutung aber ist dieselbe, denn die Lebensmittelproduktion ist natürlich immer noch ein zentrales Thema“, sagt Benning. Eng verknüpft seien noch immer die Bereiche Landwirtschaft und Kirche. „Beide sind im ländlichen Raum stark vertreten, es gibt viele Überschneidungen“, findet der 21-Jährige. So sei der Anteil der Landwirte im kirchlichen Ehrenamt sehr hoch, „und das Leben auf dem Land wird maßgeblich vom Ehrenamt geprägt“. 

Zukunftsgedanken in Zusammenhang mit der Gesellschaft zu bringen, das zeichne den Hauptkurs aus, weiß Josef Everwin von der LVHS. Er ist als zuständiger Referent vier Wochen lang an der Seite der Teilnehmer. Auch außerhalb der LVHS beim Besuch der „Grünen Woche“ in Berlin, bei einer Exkursion in Polen oder bei der Besichtigung verschiedener Betriebe in der Region. Die LVHS als katholische Einrichtung unterstütze dabei, Antworten auf die Fragen junger Menschen zu geben, sagt Everwin: „Landwirt ist einer der wenigen Berufe, der immer mit Leben zu tun hat – egal ob in der Pflanzen- oder Tierwelt oder auf dem Acker.“ Der Hauptkurs wolle dieses Bewusstsein stärken. 

Bereichert wird der Kurs durch seine Internationalität: Neben jährlich einem Studenten aus Russland ermöglicht der Verein „Apollo“ (Arbeitsgemeinschaft für Projektentwicklung in Ökologie, Landwirtschaft und Landesentwicklung in Osteuropa) zwei jungen Menschen aus Weißrussland und der Ukraine die Teilnahme durch ein Stipendium. Alek Tozik, der in Weißrussland landwirtschaftlichen Maschinenbau studiert, nimmt neue Erfahrungen mit in seine Heimat. Neben anderen Technologien, die auf deutschen Betrieben verwendet werden, hat er auch eine andere Arbeitseinstellung beobachtet: „In meiner Heimat gibt es überwiegend staatliche Betriebe und dort wird nicht so sorgfältig gearbeitet wie hier, wo es viele Familienbetriebe gibt und jeder sehr gewissenhaft für sich und seine Familie arbeitet.“ Neben diesen Erfahrungen freuen sich die Teilnehmer vor allem auch über neue Kontakte: „Wir sind in den vier Wochen Freunde geworden und das bleibt“, sagt der 22-Jährige. 

Teilgenommen haben: Hermann Leonhard Benning (Reken), Philipp Bettmann (Ennigerloh), Christopher Blommel (Ahaus), Steffen Eickel (Wadersloh), Andre Hauptmeier (Wadersloh), Henrik Heitmann (Dorsten), Daniel Hosselmann (Ahlen), Steffen Huesmann (Ahlen), Leon Hülsken (Rhede), Markus Kauling (Schöppingen), Christian Kondermann (Ahlen), Carlo Kortenbruck (Bergkamen), Janina Lohmann (Münster), Evgenia Michalitsyna (Perm/Russland), Helena Oing (Gronau), Yana Pianichuk (Uman/Ukraine), Jan Schlotmann (Ahlen), Daniel Schmiemann (Recke), Lars Schulte-Lünzum (Haltern), Johannes Söbbing (Ahaus), Aleh Tozik (Minsk/Belarus), Lena Vogt (Wadersloh-Diestedde), Benedikt Warning (Rhede) und Mark Wilmer (Ahaus). 

Ann-Christin Ladermann