„Meine Verbindung zu Gott ist die Musik“

, Stadtdekanat Münster

Wenn Coraghessan Maria Steinbach in der Osternacht im St.-Paulus-Dom in Münster getauft wird, ist es ein Heimspiel für den 20-Jährigen. „Der Dom ist meine zweite Heimat“, sagt er. Seit zwölf Jahren singt der Münsteraner in der Dommusik, genauer in der Capella Ludgeriana, dem Knabenchor am Dom. Nicht nur dort bringt er sein musikalisches Talent ein: Regelmäßig unterstützt er die Schola mit seinem Gesang, ist Mitglied im Domchor und in mehreren Projektchören und arbeitet seit einem Jahr sogar in der Dommusik, wo er ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) absolviert. „Den Ablauf einer Liturgie kenne ich wahrscheinlich fast so gut wie der Priester vorne am Altar“, sagt er junge Mann lachend. Oft hat er darüber nachgedacht, sich taufen zu lassen, hat viele Gespräche mit Dompropst Kurt Schulte und Domkapellmeister Alexander Lauer geführt – über kirchliche Strukturen ebenso wie über Glaubensinhalte. „Jetzt stimmt mein Bauchgefühl“, ist der 20-Jährige überzeugt und hat sich entschieden: In der Osternacht am Samstag, 20. April, lässt er sich im St.-Paulus-Dom taufen.

Coraghessan Steinbach steht am Taufbecken im St.-Paulus-Dom.

Coraghessan Steinbach steht am Taufbecken im St.-Paulus-Dom, wo er in der Osternacht getauft wird.

© Bistum Münster

Über viele Dinge hat Steinbach in den vergangenen Monaten mit Dompropst Kurt Schule und Frank Schüssleder, Sänger im Domchor sowie Seelsorger in der Raphaelsklinik in Münster, zur Vorbereitung auf die Taufe gesprochen. Auch die Rolle der Dommusik in seinem Leben war Thema. Werte wie Nächstenliebe und Zusammenhalt hat der 20-Jährige in den vielen Jahren dort erlebt, für diese Erfahrung von Gemeinschaft ist er dankbar. „Meine Verbindung zu Gott ist die Musik“, weiß er. Das eint ihn mit Domkapellmeister Alexander Lauer, der sein Taufpate sein wird.

Steinbachs Eltern haben ihm und seinen sieben Geschwistern die Entscheidung überlassen, ob sie sich einer Religionsgemeinschaft anschließen möchten. Steinbachs Vater ist katholisch, auch seiner Mutter ist der Glaube wichtig. Der 20-Jährige erinnert sich an einen Zeitpunkt, an dem er kurz davor stand, eine Entscheidung zu treffen. „Meine jüngeren Zwillingsgeschwister haben sich taufen lassen, als ich in der 7. Klasse war. Ich habe mich gemeinsam mit ihnen auf die Taufe und die Erstkommunion vorbereitet – und mich letztlich doch dagegen entschieden“, blickt er zurück. Als Schüler des Geschwister-Scholl-Gymnasiums in Münster-Kinderhaus hatte Steinbach viele Freunde, die anderen Religionsgemeinschaften wie dem Islam, Judentum oder Hinduismus angehörten. „Es fiel mir schwer, mich zu positionieren, ich war eher in einer Vermittlerrolle“, erinnert er sich. Seine Entscheidung gegen die Taufe fiel nicht aus Desinteresse, im Gegenteil: „Ich habe mich so sehr für das Thema Religion interessiert, dass ich diese Entscheidung nicht willkürlich treffen wollte.“

Katholikentag hat Anstoß gegeben

In den vergangenen Jahren, besonders im zurückliegenden Jahr, ist sein Kontakt zur katholischen Kirche in Münster enger geworden. Zu Beginn seines FSJ zog er in eine Wohngemeinschaft mit anderen FSJlern ins Priesterseminar Borromaeum an den Domplatz. Nebenbei arbeitet der technikbegeisterte Mann für die Rundfunkabteilung des Bistums und sorgt für die Übertragung von Gottesdiensten aus dem Dom ins Internet. Gerne denkt Steinbach an den Katholikentag im vergangenen Mai zurück, bei dem er durch die Dommusik und seinen Wohnort mittendrin war.

Ein Satz von Prof. Dr. Thomas Sternberg, dem Präsidenten des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), hat den 20-Jährigen nachhaltig berührt – und ihn in seiner Entscheidung, sich dem Christentum anzuschließen, bestärkt: „Religion darf nicht Ursache des Problems, sondern muss Teil der Lösung sein“, hatte Sternberg damals gesagt. Für Steinbach ein schöner Gedanke: „Damit werden die Gemeinsamkeiten der Religionen und nicht die Unterschiede betont. Und sobald man sich zu etwas bekennt, wo es um die Vermittlung von Werten geht, finden wir einen gemeinsamen Nenner“, erklärt er. 

"Kirche muss sich auch politisch positionieren"

Ihm ist es wichtig, die Entscheidung zum katholischen Glauben aus voller Überzeugung zu treffen. Neben der Musik und der Spiritualität gehört für den 20-Jährigen auch die Kritik an der Institution dazu. „Ich frage mich: Warum darf eine Frau keine Priesterin werden? Können Männer besser zwischen Gott und den Menschen vermitteln? Warum werden homosexuelle Menschen immer noch von der Kirche diskriminiert?“ Doch als Außenstehender Dinge wie diese offen zu kritisieren – das stehe ihm nicht zu, findet Steinbach. „Erst wenn ich Mitglied der katholischen Kirche bin, gibt mir das die Möglichkeit, daran mitzuwirken, bestimmte Traditionen in der Kirche zu verändern“, sagt er. 

Der Münsteraner findet es wichtig, dass sich Kirche auch politisch positioniert. Er selbst hat in diesem Bereich als Bezirksschüler*innensprecher für die Stadt Münster Erfahrungen gesammelt. „Kein anderes Bistum in Deutschland ist Träger so vieler Schulen. Da ist noch vieles möglich in Sachen Bildung und Ausbildung“, ist er sicher. 

Auf die Osternacht freut sich der Münsteraner – nicht nur wegen seiner Taufe. „Die Musik ist an den Hochfesten besonders intensiv“, sagt er. Nach der Liturgie wird er mit Familie und Freunden im benachbarten Priesterseminar Ostern und seine Taufe feiern. Eine kurze Nacht für ihn und seine Sängerkollegen sowie den Domkapellmeister, müssen sie doch schon am nächsten Morgen um 9 Uhr zum Osterhochamt wieder im Dom stehen. Kein Hindernis für Coraghessan Steinbach: „Es ist ja schließlich ein besonderer Tag.“

Ann-Christin Ladermann