© Bistum Münster

„Religionen haben Potenzial, Frieden zu stiften“

, Stadtdekanat Münster

Für eine größere Offenheit im Umgang mit anderen Religionen hat sich Weihbischof Dr. Stefan Zekorn beim „WDR 5 Stadtgespräch“ am 3. Mai ausgesprochen. „Die Weltreligionen bergen ein großes Potenzial in sich, Frieden zu stiften“, betonte er. Voraussetzung sei allerdings, dass die Religionen – auch das Christentum – „nicht die eigene Macht suchen und sich von politischen Mächten missbrauchen lassen“. Der Weihbischof nahm an der Gesprächsrunde zum Thema „Kreuz, Kippa und Koran – Wie können die Religionen friedlich zusammenleben?“ live aus der Bürgerhalle der Bezirksregierung Münster teil. Mit dabei waren außerdem Lamya Kaddor, Islamwissenschaftlerin, Publizistin und Gründungsvorsitzende des Liberal-Islamischen Bundes, Margarita Voloj von der jüdischen Gemeinde in Münster und WDR-Religionsexperte Theo Dierkes.

Weihbischof Zekorn spricht ins Mikrophon.

Für eine größere Offenheit im Umgang mit anderen Religionen hat sich Weihbischof Dr. Stefan Zekorn beim „WDR 5 Stadtgespräch“ ausgesprochen.

© Bistum Münster

Dass das Zusammenleben der Religionen auch in Münster zunehmend schwieriger werde, wurde bei Berichten aus dem Publikum deutlich. Ein junger Mann, gläubiger Jude, berichtete, dass er auf der Straße angepöbelt worden sei, nur weil er eine Kippa getragen habe. Eine muslimische Lehrerin erzählte, dass sie an einer Bushaltestelle von einer älteren Dame wegen ihrer offensichtlichen Zugehörigkeit zum Islam beschimpft worden sei.

„Wir müssen mehr miteinander reden und unterschiedliche Religionen und Kulturen kennenlernen“, forderte Weihbischof Zekorn. Der bevorstehende 101. Deutsche Katholikentag in Münster biete dafür eine gute Gelegenheit. Mit mehr als 100 Veranstaltungen, bei denen es auch um das Judentum oder den Islam gehe, spiele das gemeinsame Miteinander der Religionen eine große Rolle. 

Eine fehlende Toleranz im Umgang mit den Religionen beobachtet Lamya Kaddor, die Präventionsprogramme für Jugendliche anbietet: „Das Konfliktverhalten, vor allem bei jungen Menschen, ist überholungsbedürftig beziehungsweise kaum ausgeprägt.“ Der Wert des Friedens scheine – nicht nur in Syrien – immer mehr an Bedeutung zu verlieren. Die Islamwissenschaftlerin sieht dabei auch die Religionen in der Pflicht: „Sie sollten ihre Friedensbotschaften in die Welt hinaussenden, statt immer nur über Differenzen zu sprechen, die wir angeblich haben“, betonte sie. 

Die Jüdin Margarita Voloj bezeichnet sich selbst in dieser Hinsicht als „Nervensäge“, weil sie nicht müde werde, mit Menschen über ihre Religion ins Gespräch zu kommen – auch in kritischen Situationen: „Wenn ich sehe, dass Leute auf der Straße sind, bin ich mutig und diskutiere mit denjenigen, die mir ein Feuerzeug entgegenstrecken oder mich beschimpfen.“ Voloj besucht regelmäßig Schulen, um Fragen der Mädchen und Jungen zu beantworten und ihnen zu erklären, dass Juden „Menschen sind wie du und ich“. Normalität zwischen allen Menschen sei ihr größter Wunsch: „Ich bin immer gerne ein Weltbürger gewesen und möchte es auch sein können, auch in Münster und auch mit meiner Religion.“

Warum ein Miteinander schwieriger werde, erläuterte WDR-Religionsexperte Theo Dierkes: „Das ganz andere wird kaum noch wertgeschätzt oder ausgehalten. Das ist, glaube ich, eine grundsätzliche Infragestellung unserer Religionsfreiheit im Land.“ Eine Trennung von Staat und Kirche, wie sie beim „WDR 5 Stadtgespräch“ auch diskutiert wurde, hält Dierkes für keine Lösung: „Die Religionen können die Gesellschaft nicht in Ruhe lassen.“ Im Gegenteil: Die Schriften, die Judentum, Islam und auch dem Christentum zugrunde liegen, würden dazu aufrufen, sich einzumischen: „Wenn es Arme gibt, muss der Christ losgehen und sich kümmern, aktiv werden, also Politik betreiben“, verdeutlichte er beispielhaft.

Weihbischof Zekorn schloss sich dem Gedanken an. „Wollen wir die Vielfalt, die unseren Staat kennzeichnet?“, fragte er mit Blick auf eine Gesellschaft, in der alle Religionen einen Platz haben. Katholische Kindergärten, jüdische Schulen, Kultureinrichtungen und Parteien – „auf dieser Vielfalt basiert unsere Gesellschaft.“

Ann-Christin Ladermann