Die 72-Jährige gehört dem Orden der Schwestern der Liebe vom Kostbaren Blut an. 2012 kam sie auf Bitte des Bischöflichen Hilfswerks Misereor zum Aufbau einer Hochschule nach West-Sumba. Zuvor hatte sie schon von 1978 bis 1988 in einem Bildungswerk für pastorale und soziale Arbeit in Mittel-Sumba gearbeitet. Trotz dieser Vorerfahrungen sei sie ohne genaue Vorstellung ihrer künftigen Arbeit an diese herangegangen. Allerdings sei sie sich mit Misereor einig gewesen: „Das Projekt muss gelingen, sonst versinkt Sumba in Armut.“
Mit dem Aufbau der Hochschule STKIP stellte sie sich einer Herausforderung, deren Dimension aus deutscher Sicht überrascht. „Als ich anfing, fand der Betrieb in angemieteten Räumen eines Gymnasiums statt. Alles war praktisch gemietet“, schildert sie, „selbst die Dozenten waren zunächst fast alle Gastdozenten oder Lehrer.“ Nur die Studierenden seien echt gewesen, zwar „rappelmager, ein Schatten ihrer selbst“, aber umso begieriger, endlich zu studieren.
Irgendwann aber brauchte das Gymnasium seine Räume selbst. „Bis dahin arbeiteten wir dicht zusammengedrängt, jetzt ging es in die Zerstreuung “, beschreibt Schwester Mathilde. Da der geplante neue 100 Hektar große Campus erst aus fünf Räumen und einer halbfertigen Großküche bestand, suchten sich Dozenten und Verwaltungsmitarbeiter auf eigene Faust Übergangsdomizile, unter anderem im Redemptoristenkloster, in einer Kinderbibliothek, im Bischofshaus, in einer Bambushütte, unter Bäumen und sogar am Strand Parallel bekam die Hochschule endlich einen Rektor – wenn dieser auch mit seinem Team zunächst in der Küche saß.
Die wenigen Besitztümer der Hochschule konnte man mit einem einzigen Lkw abtransportieren und verteilte sie nach Bedarf – bis der provisorische Einzug auf dem Campus möglich wurde, zunächst in ein von Misereor gebautes Studentenwohnheim. Dessen Räume durften vorübergehend als Funktions- und Vorlesungsräume genutzt werden, weitere wurden gebaut. So kehrten Dozenten, Studierende, Leitung und Verwaltung zurück auf den Campus – und dort werden sie bleiben, obwohl schon bald der Auszug aus dem Wohnheim bevorsteht, das für seinen eigentlichen Zweck gebraucht wird. Aber: „Erfahrene Nomaden finden immer einen Platz.“
Auch das Umland profitiert von der Hochschule. „Die Menschen sehen eine Chance zu investieren, bauen Studentenwohnungen, eröffnen Geschäfte, legen Gärten an“, berichtet die Schwester. Diese allgemeine Zuversicht verdanke man auch vielen Unterstützern. Neben Misereor und ihrem Heimatbistum Münster nennt die Ordensfrau die (Erz-) Bistümer Freiburg, Rottenburg-Stuttgart, Trier, Augsburg, Köln, Paderborn, die Stiftung „Menschen und Missionare in Not“ und das Kindermissionswerk, die deutsche und die Schweizer Botschaft.
„Durch diese und noch viele andere stille Helfer ist etwas entstanden, was den Menschen auf Sumba Hoffnung gibt“, sagt Schwester Mathilde, „ Eltern sind dankbar, dass ihre Kinder eine Perspektive haben.“ Die Hochschule biete vier Studienprogramme: Lehrerausbildung, Indonesische Sprache, Physik und Mathematik. Biologie und Chemie warteten noch auf ihre offizielle Anerkennung. Neu entstehen werden Religionspädagogik und die von Schwester Mathilde mitentwickelte Vorschulerziehung, geplant sind Programme in Landwirtschaft und Viehzucht.
Gegenwärtig arbeiten 75 Dozenten an der im Dezember 2018 staatlich anerkannten Hochschule, die 1.500 Studierende hat. Hunderte junge Menschen haben das Studium abgeschlossen und unterrichten bereits. „Sumba hat kluge Kinder“, sagt Schwester Mathilde, „mit der Hochschule gibt es die Chance, sie durch gute Lehrer und Lehrerinnen zu fördern.“
Nicht geändert hat sich die Flexibilität ihres Arbeitsbereichs: „Nicht ich suche die Arbeit, sondern sie sucht mich.“ Je nach Bedarf gebe sie als ausgebildete Gemeindereferentin und Sozialpädagogin Workshops und Vorlesungen zu Unterrichtsbeobachtung, Lernphasen, Motivation oder dem Planen von Unterrichtseinheiten. Ebenso hält sie Kontakt zu Schulen, an denen die Studierenden Probeunterricht geben, übersetzt oder organisiert finanzielle Unterstützung.
Wenn Schwester Mathilde auf den Aufbau der Hochschule zurückblickt, ist für sie dieser „sechsjährige Prozess mehr Achterbahn als ruhig dahinfließendes Bächlein. Mit allen Höhen, Tiefen und Kurven zeigt der Weg mir, was ich zu tun haben.“ Dass das Ziel die Mühen lohnt, davon ist Schwester Mathildes überzeugt: Die Hochschule sei ein wichtiger Beitrag, „dem sumbanesischen Volk die Chance einer hoffnungsvollen Zukunft zu geben.“
Anke Lucht
Bildunterschrift: Groß war bei den Studierenden die Freude über die Nachricht von der staatlichen Anerkennung ihrer Abschlüsse an der Hochschule STKIP.