„Uns darf es nicht um uns selbst gehen“

, Bistum Münster

Der sexuelle Missbrauch von Kindern in der katholischen Kirche treibt Bischof Dr. Felix Genn um. Das sagte und zeigte er bei der Jahrestagung der katholischen Religionslehrkräfte an Gymnasien und Gesamtschulen im Bistum am 7. März auf der Jugendburg Gemen in Borken. Das unermessliche Leid, das Priester und Kirchenvertreter Kindern zugefügt ha-ben, müsse aufgearbeitet werden, betonte der Bischof. Im Sinne der Betroffenen forderte er von der Kirche, diesen Kreuzweg der Aufklärung zu gehen: „Uns darf es als Gemeinschaft, in der wir in Mithaftung genommen werden, nicht darum gehen, am Ende selbst gut dazustehen.“

Bischof Dr. Felix Genn (zweiter von links) fand bei der Jahrestagung der katholischen Religionslehrkräfte an Gymnasien und Gesamtschulen im Bistum klare Worte zum Thema Missbrauch in der Kirche.

Bischof Dr. Felix Genn (zweiter von links) fand bei der Jahrestagung der katholischen Religionslehrkräfte an Gymnasien und Gesamtschulen im Bistum klare Worte zum Thema Missbrauch in der Kirche.

© Bistum Münster

„Wahrheit zwischen Fama, Faktizität und Glauben“ – so war die traditionelle Jahrestagung des Verbandes katholischer Religionslehrerinnen und -lehrer an Gymnasien und Gesamtschulen (VKRM) überschrieben. Vor dem Hintergrund der Diskussionen über „Fake News“, den „Wettbewerb von Meinungen“ und den öffentlichen Kampf um Deutungshoheiten erschien es den Veranstaltern lohnenswert, der Frage nachzugehen, wie heute mit dem Anspruch auf Wahrheit umgegangen werden kann – und welche Rolle der Glaube dabei spielt. Wie immer fand die Tagung in Kooperation mit dem Bistum Münster und dem Institut für Lehrerfortbildung (IfL) statt.

Neben einem Gottesdienst und dem anschließenden Austausch mit Bischof Genn gehörten Workshops sowie Vorträge unter anderem von Dogmatik-Professor Dr. Michael Seewald aus Münster zum Programm. Mit den mehr als 140 Religionslehrern ging er in seinem höchst wissenschaftlichen Beitrag der Frage nach: „Was ist Wahrheit? Theologische Erwägungen zur Frage des Pilatus“. Gott sei kein Gegenstand der theoretischen Vernunft wie ein Tisch oder Stühle, erklärte Seewald – und ergänzte: „Vernünftig ist auch das, was sein soll, wenn es nicht sichtbar ist.“ Gott sei ein Hoffnungsschimmer, damit Menschen nicht an der Welt verzweifeln. Das sei christliche Wahrheit. Sie, fügte Seewald an, „gilt immer nur für eine bestimmte geschichtliche Situation.“ Deshalb appellierte der junge Theologe an die Lehrenden, darüber nachzudenken und zu diskutieren, „was das Evangelium für unsere Zeit sein kann“.

Beim abendlichen Kamingespräch mit Bischof Genn, Dr. Heiko Overmeyer von der Schulabteilung des Bistums, Michael Schweers als Vertreter der Bezirksregierung in Münster sowie Marcus Hoffmann vom Vorstand des VKRM ging es direkt um den Missbrauchsskandal, der die katholische Kirche derzeit erschüttert. Die Religionslehrerinnen und -lehrer bedankten sich bei Bischof Genn für seine deutlichen Worte und Forderungen bezüglich einer Aufarbeitung der Fälle. Sie versicherten ihm ihre Unterstützung dabei.

In diesem Zusammenhang ergänzte der Bischof, dass es nicht nur um den sexuellen, sondern auch um den geistlichen Missbrauch gehe: „Ich weiß nicht, was für den anderen gut ist.“ Deshalb dürfe den Menschen die Freiheit, zu entscheiden, nicht genommen werden.

Vor dem Austausch im Rittersaal der Burg hatte Bischof Genn mit den Tagungsteilnehmern eine Messe in der Burgkapelle gefeiert. Er dankte den Religionslehrerinnen und -lehrern darin für ihren Einsatz an den Schulen und dass sie Zeugnis geben von der Wahrheit, die Jesus selbst sei, wie es im Johannes-Evangelium stehe.

Gudrun Niewöhner