Virtual Reality wird Teil der Schulseelsorge

, Stadtdekanat Münster

Das Gymnasium St. Mauritz in Münster hat einen neuen Raum. Der „lebens.raum.liturgie“ umfasst allerdings viel mehr als nur vier Wände. „Wir sprechen gerne von einem MakerSpace“, sagt Schulseelsorger Hendrik Drüing und meint damit einen offenen Raum, in dem fast alles möglich ist. Einer Werkstatt des digitalen Zeitalters ähnlich haben die Schülerinnen und Schüler dort die Möglichkeit, sich zu beteiligen und Erfahrungen zu machen. Gemeinsam denken sie bei Barcamps und Projekttagen darüber nach, wie der Raum zu einem Ort werden kann, an dem sich Kirche und der persönliche Glaube aus ihrer Sicht verwirklicht. 

Mit einer VR-Brille haben die Schülerinnen und Schüler sogenannte Sehnsuchtsorte aufgesucht.

© Bistum Münster

Ein Jahr liegen die ersten Planungen für den „lebens.raum.liturgie“ schon zurück. Weil die Schulkapelle derzeit renoviert wird, machte sich Drüing damals auf die Suche nach einem alternativen Raum. Fündig wurde er im benachbarten Haus Emmaus der Vorsehungsschwestern. Dort lag die frühere Turnhalle des Internats seit einem Hochwasserschaden im Jahr 2014 brach. Zusammen mit der Pfarrei St. Petronilla in Münster-Handorf, den Vorsehungsschwestern und der Schulabteilung des Bistums sicherten Drüing und der Ko-Projektverantwortliche Patrick Schoden zunächst die Finanzierung des baubedürftigen Raumes. Neben Mittel aus dem Innovationsfond des Bistums wurden durch die Porticus-Stiftung wesentliche Mittel für die inhaltliche Arbeit zur Verfügung gestellt; im Rahmen des Innovationsnetzwerks „Space for Grace“. Mit einer Krippeninstallation im Advent 2020 ging der „lebens.raum.liturgie“ an den Start.

Immer öfter machen Drüing und Schoden die Erfahrung, dass die Schüler maximal Rituale aus der Liturgie kennen, längst aber nicht mehr deren Bedeutung. „Es gibt nur noch wenig Anknüpfungspunkte zur Lebenswelt der jungen Menschen heute“, sagt der Schulseelsorger. Um anschlussfähig zu bleiben, sind die Jugendlichen ausdrücklich eingeladen, sich zu beteiligen und ihre Ideen und Wünsche einzubringen. „Wir möchten nicht vorgeben, wie Liturgie auszusehen hat, sondern können nur gemeinsam eine Form finden, die verstehbar wird und damit auch wieder eine Bedeutung bekommen kann“, betont Schoden. Erste Schulgottesdienste – digital und analog – wurden bereits im „lebens.raum.liturgie“ gefeiert. Bis November 2022 läuft das Projekt, das den Lebensraum der Schüler und Spiritualität verbinden möchte. 

Mit VR-Brillen zu Sehnsuchtsorten reisen

Die Verknüpfung mit der digitalen Welt ist für die Verantwortlichen dabei ein Muss. Virtual-Reality-Brillen (VR-Brillen) sind für die Schulseelsorge des Gymnasiums angeschafft worden sowie Projektbeteiligte als VR-Trainerinnen und -Trainer ausgebildet worden. Die Brillen sollen künftig in Gottesdiensten, liturgischen Erfahrungsräumen und im Unterricht eingesetzt werden. Aus Sicht der Verantwortlichen ist ihr Einsatz ressourcenschonend und bietet gleichzeitig die Möglichkeit, Ideen schnell zu erproben und anzupassen. 

Erste Erfahrungen damit machten die Schüler der 9. Klasse sowie der EF und der Q1 beim Gottesdiensttagen, einem Projekttag als Teil des „lebens.raum.liturgie“. In Kooperation mit der Schulabteilung und dem Team der „Tage religiöser Orientierung“ des Bistums bekamen die Schüler die Möglichkeit, bei einer Meditation den eigenen Emotionen nachzuspüren, bei einem Spaziergang über Fragen zu sprechen, die sie beschäftigen, und sich in Anlehnung an die Weisheitsliteratur im Alten Testament mit unterschiedliche Facetten eines „guten und gelingenden Lebens“ auseinanderzusetzen. Mit der VR-Brille suchten sie außerdem sogenannte Sehnsuchtsorte auf. Luis Bluhm reiste so innerhalb weniger Minuten virtuell nach Italien und Amerika und genoss das Gefühl der Freiheit. „Neben dem Leistungsstress in der Schule ist das eine tolle Möglichkeit, um mal kurz auszusteigen und aufzutanken“, war der 16-Jährige begeistert. 

"Synodal verfasst, inhaltlich geleitet und partizipativ angelegt"

Der Einsatz von virtueller Realität, um Wirklichkeiten zu reflektieren, und der „lebens.raum.liturgie“ als Ort für geistreiche Visionen, an dem Fehler erlaubt und Experimente erwünscht sind: Seine Erfahrungen teilt das Projektteam mit Interessierten. So stellten die Verantwortlichen das Projekt bereits im Zentrum für angewandte Pastoralforschung (ZAP) der Universität Bochum vor und werden den Seelsorgenden im Bistum Münster bei einem gemeinsamen Tag Ende November einen Einblick geben. „Es gibt nicht das eine Ziel, das am Ende des Projekts stehen soll“, sagt Drüing. Der Prozess der Beteiligung möglichst Vieler sei in diesem Fall viel wichtiger. Sie seien eingeladen, eigene Projekte im Rahmen des Gesamtprojektes zu entwickeln. „So ist der MakerSpace sehr aktuell: synodal verfasst, inhaltlich geleitet und partizipativ angelegt“, freut sich Drüing auf die kommenden Monate. 

Ann-Christin Ladermann

Beim Gottesdiensttag gestalteten die Schülerinnen und Schüler je einen Karton, auf den sie Gegenstände und Motive malten, die sie in ihrem Leben beschäftigen.

© Bistum Münster