Der Bischof erinnerte an die Amokfahrt in Münster vor dem Kiepenkerl, bei der aber auch deutlich geworden sei, „wie groß die Solidarität in der Bevölkerung mit denen war, die darunter sehr gelitten haben.“ Besonders positiv sei die „prägende Erfahrung“ des Katholikentags in Münster gewesen, „der nicht nur vom Wetter her strahlend war, sondern auch von der Atmosphäre, der Vielfalt der Begegnungen und Gespräche, die über unsere Stadt und unser Bistum hinaus auf viele Menschen ausgestrahlt haben“. Weitere positive Elemente wie etwa die Jugendsynode in Rom seien allerdings schnell verflogen „angesichts des Streites innerhalb der Deutschen Bischofskonferenz um eine Orientierungshilfe zur seelsorglichen Pastoral an gemischt-konfessionellen Ehen und der Möglichkeit für Einzelne, auch an der heiligen Kommunion, an der Eucharistie teilzunehmen.“
Der Bischof ging auch auf den „schweren Schatten“ durch die Veröffentlichung der Studie zum sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche ein. „Wir mussten erfahren, wie groß die Schmerzen und Verwundungen vieler betroffener Menschen auch in unserem Bistum bis heute sind.“ Er habe Verständnis dafür, dass manche die Kirche aufgrund der furchtbaren Ereignisse des sexuellen Missbrauchs verließen. „Ich bitte trotzdem sehr inständig zu prüfen, ob das wirklich der richtige Schritt ist, oder ob nicht jeder von uns, selbst wenn er persönlich in keiner Weise schuldig geworden ist, dazu beitragen kann, durch seinen Einsatz und seine Solidarität die Kirche zu reinigen und zu heilen“, sagte Bischof Genn.
Als „Lichtpunkt“ des vergangenen Jahres bezeichnete Bischof Genn dagegen das Schreiben „Gaudete et exultate“ („Freut Euch und jubelt“) von Papst Franziskus. Der Papst sei kein Pessimist, sondern überzeugt, dass jeder Einzelne als getaufter und gefirmter Christ „eine Sendung“ sei“. Der Bischof sagte, dass er das Ende „dieses wahrhaftig schwierigen Jahres“ zugleich als eine Ermutigung betrachte, gerade jetzt am Reich Gottes mitzuwirken und Jesus in die Mitte des Lebens zu stellen.
Der Bischof erinnerte auch an die Gedenkveranstaltungen zum Ende des Steinkohlebergbaus, an denen er 2018 teilgenommen hat: „tatsächlich eine letzte Stunde“. Bischof Genn: „Dabei habe ich erlebt, was eine solche letzte Stunde für Menschen, die dort über Jahre und Jahrzehnte ihre Kraft eingesetzt haben, bedeutet. Der Auftrag, der sich aus dieser letzten Stunde ergibt, bleibt allerdings weiterhin für uns eine Herausforderung, wie es in unserem Land mit der Energiegewinnung ohne Steinkohle weitergeht. Dazu wird es sicherlich noch harte Arbeit in der sogenannten ‚Kohlekommission‘ bedürfen.“
Auch beim Blick auf die weltpolitische Lage, so bilanzierte Bischof Genn, gelinge es aktuell nicht, „wirkliche Haltepunkte zu entdecken, weil oft deutlich wird, wie stark die Spaltungen in den Gesellschaften sind, wie unsicher die Frage ist, wie es mit Europa weitergehen wird, ob wir tatsächlich eine krieglose Zukunft erleben können, ob wir gemeinsam bereit sind, den Klimawandel zu akzeptieren und zugunsten von Schöpfung und menschlichem Leben zu gestalten, oder ob doch das Ego einer einzelnen Nation und damit die Abschottung von anderen, vor allem von Fremden, letztlich den Zuschlag erhält“. Bischof Genn: „In unseren Herzen aber liegt es, ob wir es weiterhin wagen, Christ zu sein, uns von seinem Geist führen zu lassen, so dass auch unsere Hände bereit werden, im Hier und Heute des Jahres 2019 das Notwendige zu tun, um der Welt ein menschlicheres Gesicht zu geben und in der Kirche das reinere Licht des Evangeliums widerstrahlen zu lassen.“