Gerade sechs Wochen ist es her, dass die Familie die traurige Nachricht vom Tod des 76-Jährigen erhielt. Viele Bilder kommen in Degenhardt hoch, wenn sie an ihn, den Verlauf der Erkrankung und die beiden Besuche im Krankenhaus denkt. Eins schmerzt die 48-Jährige, ihre Mutter und ihre Geschwister besonders: „Wir haben ihn zwar im Schutzanzug im Krankenhaus besucht. Aber wir konnten uns zum Abschied nicht in den Arm nehmen.“ Diese Nähe fehlt ihr, denn „ich hatte ihn so gern. Er war ein total lieber Mensch.“
Einen Tag vor Heiligabend begann alles mit einem positiven Coronatest der Eltern. „Ein Schock. Wir haben in der Zeit vor Weihnachten noch mehr auf Kontakte verzichtet. Wir haben Abstand gehalten, um sie zu schützen, damit wir im Kreis der Familie das Fest feiern können“, blickt Degenhardt zurück. Auch sie, ihr Ehemann und die Tochter ließen sich daraufhin testen. „Wir hatten Sorge, dass wir das Virus eingeschleppt haben. Aber unsere Tests waren negativ. Wir wissen bis heute nicht, wo sich meine Eltern angesteckt haben“, berichtet die Grundschullehrerin. Über die Feiertage ging es dem Vater immer schlechter, so dass er kurz nach Weihnachten ins Krankenhaus musste. „Wir haben regelmäßig mit ihm telefoniert. Der Arzt hat uns über Telefonkonferenzen auf dem Laufenden gehalten“, erzählt Degenhardt. Doch sein Gesundheitszustand verschlechterte sich weiter, und er musste intensivmedizinisch behandelt werden. „Dann ging es ganz schnell. Einmal haben wir ihn noch im Krankenhaus besucht. Da hatte ich schon das Gefühl, dass es das letzte Mal sein könnte“, sagt Degenhardt traurig.
Auch die Beerdigung fand unter anderen Vorzeichen statt. „100 Personen dürfen unter Corona-Bedingungen in unserer Kirche Gottesdienst feiern. Meine Mutter hatte rund 90 Trauerkarten verschickt. Doch sie hat jeden gebeten, es sich gut zu überlegen, ob sie an der Beerdigung teilnehmen“, berichtet sie. Auch auf das anschließende Kaffeetrinken mit Gästen musste die Familie verzichten. „Dabei tut es so gut, sich mit anderen über den Verstorbenen auszutauschen, gemeinsam zu lachen und zu weinen“, bedauert Degenhardt, die sich im Pfarreirat St. Antonius engagiert.
Den Ehemann nach 40 gemeinsamen Jahren zu verlieren, sei für ihre Mutter sehr schmerzhaft und eine große Umstellung. „Sie geht viel spazieren und passt häufiger auf unsere achtjährige Tochter auf“, sagt Degenhardt und fügt hinzu: „In dieser Situation können wir nicht auf Distanz gehen. Das ist zurzeit unmöglich.“ Die gemeinsame Zeit mit dem Enkelkind genieße die Mutter. Andere Kontakte seien momentan nur sehr eingeschränkt möglich. „Für mich war Corona immer so weit weg. Dass es uns dann persönlich trifft, hätte ich nie gedacht.“
Ihr und besonders ihrer Mutter sei es ein großes Anliegen, dass sowohl am Gedenktag als auch in Gottesdiensten den Corona-Verstorbenen gedacht wird. „In der hilflosen Situation durch die Quarantäne und die Distanz zu meinem Vater war für meine Mutter das tägliche Gebet zu Gott und zur Fürsprecherin Maria ein großer Trost“, merkt Degenhardt an, für die Gott ebenfalls oft ein Ansprechpartner in ausweglosen Situationen ist.
Text: Michaela Kiepe/Symbolfoto: Achim Pohl