„Die Fassung, also die farbliche Gestaltung, wurde von mir nicht erneuert. Man darf ihr das Alter ansehen, schließlich stammt die Statue vermutlich aus den Jahren um 1260/70“, berichtet Eysing. Die heutige Fassung sei auf das Jahr 1896 datiert. Für eine mittelalterliche Bemalung sei sie zu perfekt und zu kleinteilig. „Optische Schäden wurden nie vollständig behoben. So bleibt der über die Zeit gewachsene Zustand erhalten“, erklärt sie und fügt zu: „Es ist typisch für so alte Skulpturen, dass sie mehrfach neu gefasst wurden.“ Die kleine Krone und das Zepter seien vermutlich aus dem 17. Jahrhundert, während die große Krone wohl aus der Zeit der letzten Fassung stamme.
In den vergangenen gut 30 Jahren hat dem Gnadenbild vor allem der Kerzenruß zugesetzt. „Die Vergrauung war sehr stark und schwer zu entfernen. Aber jetzt strahlt sie wieder“, freut sich die Restauratorin, die mit ihrer Geschäftspartnerin Patricia Schering in dem Coesfelder Atelier „Eysing & Schering“ Skulpturen und Gemälde restauriert. Der Grauschleier, der sich über die gesamte Statue gelegt hatte, ist verschwunden. „Es sind mehrere Schritte notwendig, um diesen Zustand zu erreichen. Aber wenn ich sie mir jetzt anschaue, freue ich mich.“ Ein wenig Patina bleibe erhalten, denn „sie soll ja nicht aussehen wie neu.“
Wer dem Gnadenbild so nah kommt, entdeckt auch Details, die aus der Ferne verborgen bleiben. „Sie hält das Füßchen des Jesuskindes – ein Zeichen für die spätere Passion“, weiß die Expertin. Besonders berührt sie, dass das Kind den Daumen von Maria umfasst. „Insgesamt strahlt sie etwas Mütterliches, Liebevolles und Freundliches aus. Das liegt auch an ihrem Lächeln, das als ‚kölsches Lächeln‘ bezeichnet wird“, erklärt Eysing.
Deutlich sei zu erkennen, dass dem Gnadenbild über die Jahrhunderte viel Aufmerksamkeit geschenkt wurde. „Man hat sich um sie gekümmert“, freut sich die Fachfrau über den guten Zustand. Das sei auch ein Zeichen der Verehrung.
Nun kehrt das Gnadenbild frisch gereinigt in die neu gestaltete Kapelle der St.-Marien-Kirche in Lünen zurück.
Hintergrund:
Die Marienfigur aus Lünen gilt als das älteste darstellende Marien-Gnadenbild im Bistum Münster. Bereits 1319 wurde die Wallfahrt nach Lünen erstmals urkundlich erwähnt. Sie entwickelte sich zu einer der bedeutendsten Wallfahrten in Westfalen und im Bistum Münster, insbesondere vor dem Dreißigjährigen Krieg. Trotz Unterbrechungen durch Kriege, Reformation und politische Umbrüche blieb die Wallfahrt über Jahrhunderte erhalten. Im 20. Jahrhundert, insbesondere nach dem Zweiten Weltkrieg, kam die Wallfahrt fast zum Erliegen, wurde aber in den vergangenen Jahren wieder intensiviert.
Michaela Kiepe

