Arbeitnehmervertretertreffen mit Bischof Felix Genn

, Bistum Münster

Wer in Gesundheits- und Pflegeberufen arbeitet, ist von Gewalt am Arbeitsplatz bedroht. Warum das so ist, welche Art und welches Ausmaß diese Gewalt hat und welche Lösungsansätze es gibt, darum ging es am 8. Mai beim Arbeitnehmervertretertreffen in Münster. Fast 100 Teilnehmerinnen und Teilnehmer waren dazu in die Akademie Franz Hitze Haus gekommen.

Diskutierten miteinander und mit dem Publikum: (von links) Akademiedirektor Antonius Kerkhoff, Maria Kröger, Stellvertreterin des Direktors, Albert Nienhaus, Marianne Heimbach-Steins und Felix Genn.

© Bischöfliche Pressestelle / Anke Lucht

Zu dem Treffen eingeladen hatte Bischof Dr. Felix Genn. Mitveranstalter waren der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Region Münsterland, der Kreisverband Münster des Deutschen Beamtenbundes, die Diözesane Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen (DIAG-MAV) im Bistum Münster und das Institut für Christliche Sozialwissenschaften. 

Nach einer Begrüßung stellte Bischof Genn als Referenten Prof. Dr. Albert Nienhaus vor. Nienhaus ist Arbeitsmediziner bei der Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) in Hamburg. 

Unter dem Titel „Gewalt am Arbeitsplatz – Ausmaß des Problems und Ansätze zur Lösung für Beschäftigte im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege“ präsentierte und erläuterte er zunächst die Ergebnisse dreier von ihm verantworteter Studien. Diese untersuchten das Thema zum einen in Krankenhäusern, der stationären und ambulanten Altenpflege und Wohn- und Werkstätten sowie zum anderen in Notaufnahmen. Ein dritter Untersuchungsgegenstand waren Fälle sexueller Gewalt und Belästigung gegen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. 

Insgesamt, stellte Nienhaus heraus, seien Beschäftigte im Gesundheitswesen besonders gefährdet durch Gewalt am Arbeitsplatz. Denn ihre Zielgruppen stellten beispielsweise unerfüllbare Forderungen, stünden unter Alkohol- oder Drogeneinfluss oder seien psychisch krank. Zudem seien die Beschäftigten oft allein tätig – etwa direkt vor Ort beim Klienten – und arbeiteten abends und nachts. 

In der Branche sei Gewalt gegen Beschäftigte der zweithäufigste Grund für Arbeitsunfälle. Dabei würden längst nicht alle Vorfälle als Arbeitsunfälle erfasst, sagte der Arbeitsmediziner.

In der Konsequenz wiesen von Gewalt betroffene Pflegekräfte höhere Burnout-Werte auf. Der Zusammenhang zwischen Erlebnissen von körperlicher oder verbaler Gewalt und einem Burnout lasse sich durch Nachsorge für Betroffene und die Förderung der Resilienz bei Pflegekräften abschwächen. Des weiteren hätten die Studien ergeben, dass die Gewaltbereitschaft von Patienten und deren Angehörigen zugenommen hat und Notaufnahmen stark davon betroffen sind. 

Gewalt am Arbeitsplatz müsse bei Beschäftigten in der Gesundheits- und Pflegebranche deshalb Teil der Gefährdungsbeurteilung sein. Gerade die sexualisierte Gewalt sei noch tabuisiert. „Alle Formen der Gewalt kommen in allen untersuchten Branchen mit Unterschieden zwischen den Branchen vor, und sie zeigen einen substanziellen Zusammenhang mit dem psychischen Befinden der Betroffenen“, sagte Nienhaus. Er riet den Einrichtungen, Prävention auszubauen und Nachsorge anzubieten. Ebenso empfahl er die Installation von Aggressions- und Gewaltmanagementsystemen und wies auf die Unterstützungsangebote der BGW – wie Organisationsberatung, Seminare, Broschüren und probatorische Sitzungen – hin.

An Nienhaus‘ Vortrag schloss sich eine lebendige Diskussion mit den Teilnehmerinnen und Teilnehmern an. Unter Moderation von Prof. Dr. Marianne Heimbach-Steins ging es dabei unter anderem um die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf das Thema und um die institutionalisierte Schutzbereitschaft.