Arbeitnehmervertretertreffen mit Bischof Genn

Flexible Arbeitszeiten sind nichts Ungewöhnliches mehr und werden heute von Arbeitnehmern wie Arbeitgebern gleichermaßen gefordert. Dass beide Seiten damit unterschiedliche Erwartungen verbinden und flexible Arbeitszeiten ein sprichwörtliches zweischneidiges Schwert sind, diese Überlegung hat am 28. Mai im Mittelpunkt des Arbeitnehmervertretertreffens des Bistums Münster gestanden. Unter dem Titel „Mein „Frei‘ gehört mir!“ und auf Einladung von Bischof Dr. Felix Genn diskutierten die rund 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmer des ausgebuchten Treffens über Arbeitszeit und Arbeitszeitmodelle.

Über Vor- und Nachteile flexibler Arbeitszeiten tauschten sich beim Arbeitnehmervertretertreffen aus (von links): Generalvikar Dr. Norbert Köster, Martin Dabrowski, Felix Genn, Angelika Kümmerling, Susanne Hülsken, Ulrich Richartz als Geschäftsführer der Diözesanen Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen (DiAG-MAV) im Bistum Münster, Markus Lingenauber und Martin Wennekers, Vorsitzender der DiAG-MAV im Bistum Münster.

„Wenn Beschäftigte den Satz , Mein ,Frei‘ gehört mir!‘ aussprechen müssen, um sich zu schützen, ist etwas in der Arbeitsorganisation grundlegend falsch“, sagte der Bischof zu Beginn. Auch die Kirche sei „als großer Arbeitgeber angefragt, nach Lösungen zur Entlastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer zu suchen. Hier ist es geboten, die Arbeitsbedingungen auf den Prüfstand zu stellen und Veränderungsmöglichkeiten auszuloten.“

Weiter führte Dr. Angelika Kümmerling, Wissenschaftliche Mitarbeiterin des Instituts Arbeit und Qualifikation der Universität Duisburg-Essen, in das Thema ein. Sie präsentierte zunächst Entwicklungen und Ist-Stand. Zwar sei die Zahl der Wochenarbeitszeiten zurückgegangen und der Umfang der atypischen Arbeitszeiten (beispielsweise am Wochenende oder nachts) nicht weiter angestiegen. Jedoch gebe es wachsenden Termin- und Leistungsdruck und dadurch Schwierigkeiten mit der Work-Life-Balance. „Die Folge sind überlange Arbeitszeiten, das Gefühl, ständig erreichbar sein zu müssen, und mehr Arbeit in der Freizeit“, stellte Kümmerling fest. Die Autonomie der Arbeitnehmer über ihre Arbeitszeit entspreche zwar deren Wünschen, führe aber letztlich zu einer Verlängerung der Arbeitszeit. Die Flexibilität wiederum, die auf Wünschen der Arbeitgeber beruhe (strukturelle Mehrarbeit) wirke sich negativ auf Gesundheit, Arbeitsfähigkeit und Work-Life-Balance der Arbeitnehmer aus.

Im Interesse einer menschen- und gesundheitsgerechten Arbeitszeitgestaltung sprach sich die Referentin unter anderem für den Acht-Stunden-Tag, möglichst hohe Flexibilität der Arbeitnehmer bei Gestaltung von Arbeitszeit und -ort, Arbeitszeitkonten, einen zeitnahen Ausgleich von Mehrarbeit und Mitsprache der Arbeitnehmer bei der Entwicklung neuer Arbeitszeitmodelle aus. Wo es nicht möglich sei, dass Arbeitnehmer die Arbeitszeiten flexibel gestalten, müssten vorhersehbare und regelmäßige Zeiten gewährleistet sein.
In der anschließenden Podiumsdiskussion diskutierte Kümmerling unter Moderation von Tagungsleiter Dr. Martin Dabrowski mit der Kommunikationswissenschaftlerin, Trainerin und Beraterin Susanne Hülsken, mit dem Vorsitzenden der Mitarbeitervertretung (MAV) und Konzeptleiter „Lebenswertes Arbeiten“ am Katholischen Klinikum Lünen/Werne GmbH Markus Lingenauber sowie mit dem Sachverständigen der Gewerkschaft ver.di, Tobias Michel. Dabei legte die Runde – auch aufgrund der Rückmeldungen aus dem Publikum – ihren Schwerpunkt auf die Situation in Gesundheits- und Pflege-Berufen. Übereinstimmung herrschte darin, dass Politik und Arbeitgeber dringend mehr Mitarbeiter in das System bringen müssten und dass dafür menschengerechte Arbeitsbedingungen Voraussetzung seien.

Text/Bild: Bischöfliche Pressestelle / Anke Lucht