Arbeitnehmervertretertreffen mit Bischof Genn und 300 Teilnehmern

Als großer Arbeitgeber ist auch die Kirche angesichts zunehmender Arbeitsbelastung und -verdichtung angefragt, Arbeitsbedingungen und Veränderungsmöglichkeiten zu prüfen.

Das hat Bischof Dr. Felix Genn am 2. Mai. beim Arbeitnehmervertretertreffen in der Akademie Franz Hitze Haus in Münster betont.

Zu dem Treffen hatte der Bischof des Bistums Münster zum sechsten Mal eingeladen. Mit mehr als 300 Teilnehmerinnen und Teilnehmern stieß das diesjährige Thema "Psychische Belastungen am Arbeitsplatz" auf großes Interesse. Mitveranstalter waren der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Region Münsterland, der Kreisverband Münster des Deutschen Beamtenbundes, die Diözesane Arbeitsgemeinschaft der Mitarbeitervertretungen (DIAG-MAV) im Bistum Münster und das Institut für Christliche Sozialwissenschaften.

"Es gehört zum pastoralen und sozialethischen Auftrag der Kirche, sich mit gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungen zu beschäftigen und die Menschen in ihren Lebenssituationen zu begleiten", sagte der Bischof. Arbeit sei "aktive Teilhabe am Schöpfungswerk Gottes", könne aber auch krank machen. "Flexibilität, Effizienz und Mobilität sowie nahezu permanente Erreichbarkeit gelten inzwischen als normal", sagte Genn. In Verbindung mit dem Anspruch, Beruf und Familie zu vereinbaren, könne das zu psychischen Erkrankungen führen.

Den zentralen Vortrag hielt Antonia Kühn vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) NRW in Düsseldorf. Unter dem Titel "Gesund am Arbeitsplatz?" stellte sie Herausforderungen in der Gestaltung von Arbeitsbedingungen vor und präsentierte Ergebnisse des DGB Index Gute Arbeit für Nordrhein-Westfalen von 2015. "Es scheinen vor allem ältere sowie gut ausgebildete Arbeitnehmer unter zu hohen sozialen und emotionalen Anforderungen zu leiden", sagte sie. Die Belastung werde umso stärker wahrgenommen, je mehr Überstunden geleistet würden. Ein höheres Einkommen gleiche das nicht aus.

"Flexibilisierung und Digitalisierung bringen neben Arbeitserleichterungen auch neue Leistungsanforderungen mit sich", erklärte Kühn, "wie die Bewältigung einer immer größeren Informationsflut, höhere Verfügbarkeitserwartungen und die Herausforderung, komplexe Aufgaben in kürzester Zeit zu bewältigen." Neu sei, dass über psychische Belastungen am Arbeitsplatz gesprochen werde.

Auch die zu geringe Personalstärke sei ein Hauptgrund für Stress. Kühn stellte die Eckpunkte des vom DGB entwickelten Steuerkonzepts vor, das die Finanzierung von Stellen im öffentlichen Bereich ermögliche. "Mehr Personal würde eine erste wichtige Verbesserung bedeuten", begründete Kühn. Außerdem ermöglichten größere Teams gesündere Arbeitszeiten, also etwa ohne unnötige Wochenendarbeit oder mit verlässlichen Schichten.

Als Instrumente zur Vorbeugung nannte die Referentin das rechtlich normierte Verfahren der Gefährdungsbeurteilungen, betriebliche Gesundheitsförderung und Eingliederungsmanagement. "Leider mangelt es an der Umsetzung, der Ableitung von Maßnahmen und der Wirksamkeitskontrolle", gab sie zu bedenken. Mit Blick auf die Maßnahmen sei entscheidend, dass Unternehmen statt einzelner Bausteine ganzheitliche Konzepte der Prävention anbieten.

"Gesundheit am Arbeitsplatz ist kein Selbstzweck", unterstrich Kühn, "sie dient den Individuen, der Volkswirtschaft und den Unternehmen." Deshalb trete der DGB für eine gesetzlich verankerte Anti-Stress-Verordnung und eine neue Arbeitszeit-Debatte ein. "Die Veränderungen, vor denen wir stehen, haben enorme Dimensionen und sind unglaublich schnell", sagte Kühn, "gewinnen können wir dieses Spiel nur gemeinsam."

Wie sich psychische Belastungen am Arbeitsplatz verringern lassen, darüber diskutierte die Referentin anschließend mit Hans Krautwurst-Rusch, Vorsitzender der Mitarbeitervertretung des St.-Marien-Hospitals Borken, und mit Diana Reiter von der Technologieberatungsstelle des DGB NRW in Dortmund. Die Moderation übernahm Dr. Martin Dabrowski vom Franz Hitze Haus. Thematisch spielten – auch in den Publikumsbeiträgen – der Personalmangel, die noch zu geringe Zahl an Beispielen für vorbeugende Maßnahmen und die zusätzlich im Privatleben vorhabenden psychischen Belastungen eine wichtig Rolle.

Bildunterschrift: Sie diskutierten beim Arbeitnehmervertretertreffen (von links) Hans Krautwurst-Rusch, Antonia Kühn, Felix Genn, Martin Dabrowski und Akademiedirektor Antonius Kerkhoff.

Text: Bischöfliche Pressestelle / 03.05.2017
Kontakt: Pressestelle[at]bistum-muenster.de
Foto: Bischöfliche Pressestelle / Anke Lucht