Ausbau der Palliativmedizin statt Sterbehilfe für Kinder
Die Diskussion um Sterbehilfe für Kinder, die in Belgien aktuell hohe Wellen schlägt, hält der Leiter des zu den Vestischen Caritaskliniken gehörenden Kinderpalliativzentrums in Datteln, Prof. Dr. Boris Zernikow, für "inakzeptabel und unethisch".
In seinen 15 Jahren Erfahrung mit todkranken Kindern habe er nie einen ernsthaften Wunsch zu sterben erlebt: "Kinder wollen leben". Wenn selbst viele Ärzte in Belgien zu den Befürwortern zählten, so zeige das vor allem ihre Hilflosigkeit. Die Palliativmedizin verfüge über die Mittel, um die Krankheitssymptome in aller Regel so zu kontrollieren, "das das Leben lebenswert bleibt." Notwendig sei ein Ausbau der Palliativversorgung, wie in der nationalen Strategie "Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Menschen" angestrebt werde, fordert Zernikow.
Deutschland hält Zernikow nicht für gefeit vor einer ähnlichen Diskussion um Sterbehilfe wie in Belgien. Er halte sie für sehr gefährlich. Wobei sie eigentlich theoretisch sei, denn kaum jemand habe die Situation eines todkranken Kindes tatsächlich erlebt. Stattdessen müsse er sich da reindenken und spüre das eigene Unvermögen zu helfen. In Deutschland versterben, so Zernikow, weniger als 500 Kinder jährlich an Krebs.
Gerade zu abstrus sei der Gedanke, Kinder über ihren Tod entscheiden zu lassen. Man überlasse einem Zwölfjährigen normalerweise nicht einmal die Entscheidung darüber, wann er abends nach Hause kommen wolle. Wenn ein Kind sich das Sterben wünsche, sei dies ein Hilferuf. "Da können wir nicht mit der Hilfe zum Sterben reagieren", sagt Zernikow.
Es gebe zum Beispiel die Möglichkeit einer vorübergehenden palliativen Sedierung. Auch bei Erwachsenen habe er immer wieder erlebt, dass der Wunsch nach dem Tod zurückgenommen werde, wenn die Patienten wieder aufwachten. Deswegen gehe es um "den Aufbau eines verlässlichen Expertensystems".
Boris Zernikow hat die Station Lichtblick als Kinderpalliativzentrum aufgebaut und das Deutsche Kinderschmerzzentrum an der Vestischen Kinder- und Jugendklinik Datteln gegründet. Die Klinik gehört zu den Vestischen Caritas-Kliniken, deren Träger der Diözesancaritasverband Münster sowie die Kirchengemeinden St. Amandus Datteln und St. Peter Waltrop sind.
Text: Harald Westbeld / Caritasverband Münster
Kontakt: info[at]caritas-muenster.de
Foto: Deutsches Kinderschmerzzentrum Datteln
