Bernhard Rathmer ist Krankenhausseelsorger im Mathias-Spital in Rheine

Abends schaut Bernhard Rathmer gerne kurz in der Krankenhauskapelle vorbei: "Es ist ein schöner Ort, an dem ich selbst zur Ruhe komme." Bevor er nach Hause geht, versucht der Diakon, den Tag hinter sich zu lassen. Meistens zündet er eine Kerze an.

Manchmal auch mehrere, wenn er es tagsüber Patienten versprochen hat. Rathmer ist Seelsorger im Rheiner Mathias-Spital. Wie die Krankenhausseelsorge künftig aussehen soll, welche Perspektiven es gibt, darüber referiert er aus Sicht eines Praktikers bei einer Tagung, zu dem die Franziskus-Stiftung in Münster am Mittwoch, 21. Juni, Krankenhausseelsorgerinnen und -seelsorger aus den Bistümern Münster, Osnabrück und Essen sowie aus den entsprechenden evangelischen Landeskirchen eingeladen hat.
Die Krankenhausseelsorge ist für den Wettringer ein wichtigiger Teil heutiger Seelsorge. Nach einer Zeit als Pastoralreferent in der Gemeinde und als Ausbilder im Institut für Diakonat und Pastorale Dienste (IDP) wechselte er deshalb vor 17 Jahren ins Mathias-Spital. "Kranksein ist für viele eine Ausnahmesituation", weiß Rathmer aus Gesprächen. Dass andere in dieser Phase für sie da sind, schätzen Patienten als wertvolle Erfahrung. Loswerden zu können, was einem auf der Seele liegt, der Diakon ist ein geduldiger Zuhörer. Die meisten mögen ihren Angehörigen nicht sagen, welche Ängste sie umtreiben, um die Familie nicht noch mehr zu belasten. Bei Rathmer fühlen sie sich frei, trauen sich, von ihren Gefühlen zu erzählen.

Stationsweise haben sich der Diakon und die anderen Seelsorger das Mathias-Spital aufgeteilt: "Die Konfession spielt für uns keine Rolle. Es gibt keinen katholischen oder evangelischen Blinddarm." Die Bedeutung der Ökumene in der Krankenhausseelsorge sei auch beim 1. Ökumenischen Krankenhausseelsorgekongress im März dieses Jahres vom Ratsvorsitzenden der Evangelischen Kirche, Bischof Heinrich Bedford-Strohm, und vom Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, hervorgehoben worden, erklärt Rathmer. Viele Patienten hätten sowieso längst keinen Draht mehr zur Kirche. Er glaubt aber zu spüren, dass es ihnen, egal ob gläubig oder nicht, gut tut, wenn jemand auf sie zukommt, den Kontakt zu ihnen sucht. Bedingung für Rathmer ist deshalb eine personale Präsens: "Menschen in einer schweren Lebenssituationen zu besuchen, wenn sie darum bitten, aber auch einfach nur so, das ist der Kern der Krankenhausseelsorge."

Mehrmals in der Woche geht er von Zimmer zu Zimmer – ohne sich anzukündigen. Als Seelsorger muss er sich mit Menschen unterhalten mögen. Manchmal einfach nur übers Wetter: "Ich lasse mich auf die Person, ihr Tempo, ihre Themen ein." Man merke sehr schnell, wer mit einem sprechen möchte und wer lieber nicht. Der Seelsorger drängt sich nie auf. Er sieht sich auch nicht in der Rolle eines Missionars: "Christus ist da, wir Menschen müssen ihn nicht irgendwo hinbringen, bestenfalls machen wir ihn sichtbar."
Dankbar ist er, wenn das Pflegepersonal sensibel ist und ihm Hinweise gibt, bei wem er mal anklopfen sollte. Viele seiner Patienten sind an Krebs erkrankt, aber auch um die Eltern von tot geborenen Kindern kümmert sich der Diakon. Beides keine einfachen Aufgaben: "Ich kann denen nicht sagen, alles wird gut."
Was tröstet die Menschen in ihrem Leid? Diese Frage hat sich der 59-Jährige unzählige Male gestellt. Nach dem Tod eines Kindes mit den Eltern die ersten Schritte gehen, das kann helfen. Oder Wut aushalten, sein Gegenüber weinen, schimpfen lassen. "Aber bloß keinen rosa Zuckerguss über alles gießen", warnt er. Schöne Worte alleine, sagt der Diakon, seien keine Lösung. Häufig sogar vermessen: "Wer weiß schon als Gesunder, wie sich ein an Krebs Erkrankter fühlt."

Ehrlichkeit gegenüber seinen Patienten ist Rathmer bei allem, was er tut, wichtig. Vor schwierigen Entscheidungen gibt er ihnen zu verstehen, dass er bereit ist, sie zu begleiten: "Aber ich mache ihnen auch deutlich, dass es nicht um mein Schicksal geht und ich ihnen nicht die Verantwortung abnehmen kann."
Krankenbesuche müssen nicht immer ernst und nachdenklich sein: "Mit manchen kann man locker plaudern und viel lachen." Schöne Momente – trotz aller Gewissheit, dass der Tod oft unausweichlich ist. Der Diakon kann sie genießen. Und sie machen es ihm leichter, das Schwere bei seiner Arbeit als Seelsorger auszuhalten. "Wenn ich alle Problemfälle mit ins Bett nähme, würde ich selbst krank." Der abendliche Abschluss in der Kapelle ist für Rathmer wie das Ablegen der Tageslast: "Ich stelle mich vor Gott und sage: In der Nacht übernimmst du, ich bin jetzt weg."

Damit es auch künftig eine gute Seelsorge in den Krankenhäusern gibt, wünscht sich Rathmer weiterhin die Bereitschaft der Träger, den Dienst in den Einrichtungen durch gute Voraussetzungen zu unterstützen: "Die Seelsorge ist kein Angebot, das zum Einsatz kommt, wenn Medizin und Pflege am Ende sind, vielmehr geht es darum, den Menschen Heil in einem sehr umfassenden Sinn zu ermöglichen."

Bildunterschrift: Die goldene Wand in der Kapelle des Rheiner Mathias-Spitals steht unter anderem für den Wert des menschlichen Lebens. Krankenhausseelsorger Bernhard Rathmer kommt gerne hierher.

Text: Bischöfliche Pressestelle / 20.06.17
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Foto: Bischöfliche Pressestelle/Gudrun Niewöhner