Bischof Bätzing: "Wir haben in dieser Krise viel gelernt"

, Bistum Münster, Kreisdekanat Kleve

Mit der Wallfahrt nach Kevelaer verbindet der Bischof von Limburg, Dr. Georg Bätzing, Kindheitserinnerungen. „Lange, bevor ich das erste Mal in Kevelaer war, sehe ich vor mir die singende Pilgergruppe, die von der Musikkapelle begleitet, an meinem Elternhaus in Niederfischbach (Kreis Altenkirchen) vorbei, zum Bahnhof zieht“, erzählt er. Am Freitag, 1. Mai, wird Bätzing, der Anfang März zum Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) gewählt wurde, die Wallfahrtssaison in Kevelaer eröffnen.

Bischof Dr. Georg Bätzing

Bischof Dr. Georg Bätzing eröffnet am 1. Mai 2020 die Wallfahrtssaison in Kevelaer.

© Bistum Limburg

Bischof Bätzing ist überzeugt, dass gerade in der Krise der Trost der Gottesmutter, die in Kevelaer als „Trösterin der Betrübten“ verehrt wird, wichtig ist: „Der leibliche Trost durch Menschen, die einfach da sind in dieser Ausnahmesituation, der fehlt ja häufig. Da ist der geistliche Trost ganz wichtig – im Wissen, dass die Gottesmutter den Betrübten nahe ist. Ich weiß von vielen Menschen, die sich in dieser Zeit ganz besonders der Fürsprache der Mutter Gottes anvertrauen.“ Für die Menschen in der Kirche sei das diesjährige Wallfahrtsmotto „Ich bin da, wo Du bist“ Ansporn und Herausforderung. „Wie viele Gläubige sind in Hilfsdiensten, in Gebetsinitiativen, in der Krankenpflege und Altenfürsorge, in Beratungsdiensten und in seelsorglicher Begleitung gerade jetzt gefragt. Und sie sind für andere da“, betont der DBK-Vorsitzende und ergänzt: „Ich habe in den vergangenen Wochen so viele wunderbare Beispiele kennengelernt, dass ich mehr denn je überzeugt bin, wir haben als Christinnen und Christen einen wichtigen, unersetzbaren Auftrag in der Gesellschaft.“

In den vergangenen Wochen sei die Kirche erfahrener im Umgang mit und im Einsatz von digitalen Medien geworden. „Wir haben in dieser Krisenzeit wirklich viel gelernt“, sagt Bischof Bätzing. Ihn habe die Fähigkeit fasziniert, schnell umzudenken und Wege zu suchen, wie man für andere da sein könne. Auch bei einer Rückkehr zur Normalität nach der Krise müsse man diese Erfahrungen sorgfältig bedenken, „und hoffentlich manche Formen und Angebote, die uns in dieser Zeit geholfen haben, weiter pflegen und ausbauen“, betont Bätzing. Auch bei der nächsten synodalen Versammlung in Frankfurt, die, wenn es die Umstände erlauben, im Herbst tagen wird, werde man „sicher nicht einfach zur Tagesordnung über gehen“, wie der DBK-Vorsitzende sagt. „Wir haben in der Krise Erfahrungen auszutauschen, zu bedenken und zu fragen, was sie mit unseren vier Schwerpunktthemen zu tun haben. Und vor allem: was sie uns sagen für den Weg der Kirche in der Zukunft. Wir wollen ja eine Kirche an der Seite der Menschen von heute sein. Das haben wir miteinander verabredet, und darauf suchen wir gemeinsam Hinweise und Antworten. Das wird ein spannender Prozess, und ich freue mich sehr auf die künftigen Begegnungen.“

Ab dem 1. Mai wird es im Land Nordrhein-Westfalen wieder möglich sein, zusammen mit der Gemeinde öffentliche Gottesdienste zu feiern. Das gilt somit auch für das Pontifikalamt zur Eröffnung der Kevelaerer Wallfahrtszeit mit dem Vorsitzenden der deutschen Bischofskonferenz, Dr. Georg Bätzing, Bischof von Limburg, das am Maifeiertag um 10.00 Uhr in der Basilika beginnt. „Wir sind froh, dass wir pünktlich zum Wallfahrtsbeginn die Möglichkeit haben, öffentliche Gottesdienste zu feiern und damit auch Einzelpilgern und kleinen Gruppen die Möglichkeit geben, zur Trösterin der Betrübten zu pilgern“, erklärt der Rektor der Kevelaer-Wallfahrt, Domkapitular Gregor Kauling. Gerade in bedrängten Zeiten hätten viele Menschen in den vergangenen Jahrhunderten Trost und Zuflucht im Wallfahrtsort Kevelaer gefunden. „Wir hoffen, dass dieses auch in unserer Zeit der Fall sein wird und heißen die Pilgerinnen und Pilger unter den gegebenen Voraussetzungen herzlich willkommen“, so Kauling weiter.

Denn selbstverständlich gelten in allen Kirchen und Gebetsräumen die in Zeiten der Corona-Pandemie obligatorischen Hygienevorschriften und Abstandsbestimmungen. Daher werden in der Kevelaerer Basilika insgesamt lediglich 150 sichtbar markierte Sitzplätze für die Gläubigen zur Verfügung stehen. Ein Ordnungsdienst wird darauf achten, dass diese Sitzordnung streng eingehalten wird. Sobald die vorhandenen Sitzplätze belegt sind, wird der Ordnungsdienst weiteren Gläubigen den Zugang zur Kirche entsprechend verwehren. Die Basilika wird um 9.00 Uhr geöffnet.

Das Bistum Münster hat für die Gemeinden im nordrhein-westfälischen Teil der Diözese umfangreiche Rahmenbedingungen für die öffentliche Feier von Gottesdiensten erlassen. Die Regelungen werden ab dem 1. Mai in den Kirchen am Kapellenplatz permanent und deutlich sichtbar ausliegen. Alle Gläubigen werden dringend gebeten, sich sehr strikt an diese Anweisungen und an alle weiteren Ansagen, die ggf. vor oder während der Gottesdienste erfolgen, zu halten.

Die Eröffnung der Wallfahrt in Kevelaer am 1. Mai ab 10 Uhr wird von dem Fernsehsender EWTN übertragen, zudem gibt es eine Übertragung ins Internet, die auf der Seite www.wallfahrt-kevelaer.de zu sehen sein wird. Dort gibt es auch weitere Informationen, etwa zu der Möglichkeit, auch in der Krisenzeit Pilgerkerzen aufstellen und segnen zu lassen.

Wortlautinterview mit Bischof Dr. Georg Bätzing

Zunächst die wichtigste Frage: Wie geht es Ihnen?
Ich bin gesund und erlebe in dieser außergewöhnlichen Zeit relativ viel Normalität im Alltag. Das macht mich sehr dankbar, denn ich weiß, wie viele Menschen in diesen Wochen hart aus ihrem Alltag herausgerissen sind.

Was verbinden Sie, ohne lange nachzudenken, mit Kevelaer?
Es sind ganz frühe Kindheitserinnerungen: Lange, bevor ich das erste Mal in Kevelaer war, sehe ich vor mir die singende Pilgergruppe, die von der Musikkapelle begleitet, an meinem Elternhaus in Niederfischbach (Kreis Altenkirchen) vorbei, zum Bahnhof zieht. Das war jedes Jahr am Samstag nach Maria Himmelfahrt, und da durften wir als Kinder früh aufstehen, um die Prozession zu sehen. Mein Opa gehörte zum Organisationsteam der Siegprozession, und nach der Rückkehr bekam ich immer ein kleines Mitbringsel aus Kevelaer.

Bischof Dr. Georg Bätzing

Wie wichtig ist es, mit Blick auf die Trösterin der Betrübten, dass die Kirche gerade in diesen Zeiten Trost spendet? 
Solch eine Krisenzeit habe ich noch nie erlebt. Wie gefährdet ist unser Leben? Wie viele Menschen sind an diesem neuen Virus bereits gestorben? Wie viel Isolation und Einsamkeit müssen Menschen in den Altenheimen, den Krankenhäusern und zu Hause zur Zeit ertragen? Und der leibliche Trost durch Menschen, die einfach da sind in dieser Ausnahmesituation, der fehlt ja häufig. Da ist der geistliche Trost ganz wichtig - im Wissen, dass die Gottesmutter den Betrübten nahe ist. Ich weiß von vielen Menschen, die sich in dieser Zeit ganz besonders der Fürsprache der Mutter Gottes anvertrauen. 

Das Motto der diesjährigen Wallfahrt lautet „Ich bin da, wo Du bist“ – kann die Kirche dieses Versprechen halten, wenn keine öffentlichen Gottesdienste gefeiert werden dürfen? Und was bedeuten Versammlungsverbote für Wallfahrtsorte in ganz Deutschland?
Das Wallfahrtsmotto beziehe ich zunächst einmal auf unseren Gott und auf die Gottesmutter. Das ist ja die große Zusage, aus der wir leben. Unser Gott ist der „Ich bin da“. Und Maria hat als Mutter des Herrn in der harten Stunde des Leidens und Sterbens ihres Sohnes gezeigt, dass sie bleibt und nicht wegläuft. So bezeugt es das Evangelium. So ist Maria die Mutter der Kirche geworden. Für uns Menschen in der Kirche ist das Wallfahrtsmotto Ansporn und Herausforderung. Und die gelingt auch in dieser Zeit! Wie viele Gläubige sind in Hilfsdiensten, in Gebetsinitiativen, in der Krankenpflege und Altenfürsorge, in Beratungsdiensten und in seelsorglicher Begleitung gerade jetzt gefragt. Und sie sind für andere da. Ich habe in den vergangenen Wochen so viele wunderbare Beispiele kennengelernt, dass ich mehr denn je überzeugt bin, wir haben als Christinnen und Christen einen wichtigen, unersetzbaren Auftrag in der Gesellschaft.

Sie waren 2012 Leiter der Heilig-Rock-Wallfahrt in Trier. Was fasziniert die Menschen auch heute noch am Pilgern?
Pilgern ist ein Bild des menschlichen Lebens, eine urmenschliche Erfahrungen. Die Weggemeinschaft als einzelne oder in Gemeinschaft bestärkt für den Alltag. Und als Unterbrechung des Alltags führt das Pilgern auf den Weg nach innen. Vieles Unbewusste kommt durch den Rhythmus des Gehens und des Betens ins Bewusstsein. Manches kann geordnet und geklärt werden, mit manchen Erfahrungen mag ich mich versöhnen. Pilgern ist ein heilsames Wegstück, und dabei spielt das Ziel eine wichtige Rolle. Wenn mich am Ziel, ein so ehrliches Bild wie die kleine Ikone der Trösterin der Betrübten empfängt, dann kann ich mich mit meiner ganzen Lebensgeschichte dort geborgen fühlen. Und ich gehe getröstet nach Hause.

Gerade der katholischen Kirche wird oft vorgeworfen, auf Innovationen mit einer gewissen Schwerfälligkeit zu reagieren. Wie erstaunt sind Sie über das Tempo, mit dem seit Beginn der Krise neue Formate zur Feier des Gottesdienstes und zur Seelsorge gefunden werden? Welche Initiativen haben Sie besonders beeindruckt?
Wir haben in dieser Krisenzeit wirklich viel gelernt. Wir sind erfahrener im Umgang mit und im Einsatz von digitalen Medien geworden. Mich hat die Fähigkeit fasziniert, ganz schnell umzudenken und Wege zu suchen, wie wir für andere dasein können, ihnen Angebote machen, miteinander zu beten, Gottesdienst zu feiern, dem Glauben einen Ausdruck zu geben in einfachen Symbolen. Vermutlich ist in vielen Häusern und Familien lange nicht mehr so intensiv miteinander gebetet und über den Glauben gesprochen worden, wie in dieser Zeit - gerade mit Kindern, die ja gerne Fragen stellen. Und wenn wir bald wieder zu einer größeren Normalität des Alltags auch in der Kirche zurückkehren können, werden wir unsere Erfahrungen sorgfältig bedenken - und hoffentlich manche Formen und Angebote, die uns in dieser Zeit geholfen haben, weiter pflegen und ausbauen.

Lassen die vergangenen Wochen Sie hoffen, dass die Dynamik auch auf weitere Reformprozesse – Stichwort „Synodaler Weg“ – überspringt?
Wenn wir im Herbst, so Gott will, zur zweiten synodale Versammlung in Frankfurt zusammen kommen, werden wir sicher nicht einfach zur Tagesordnung über gehen. Wir haben in der Krise Erfahrungen auszutauschen, zu bedenken und zu fragen, was sie mit unseren vier Schwerpunktthemen zu tun haben. Und vor allem: was sie uns sagen für den Weg der Kirche in der Zukunft. Wir wollen ja eine Kirche an der Seite der Menschen von heute sein. Das haben wir miteinander verabredet, und darauf suchen wir gemeinsam Hinweise und Antworten. Das wird ein spannender Prozess, und ich freue mich sehr auf die künftigen Begegnungen.

Christian Breuer stellte die Fragen.