Bischof Genn besucht Vinzenzwerk in Handorf
"Schlimm, dass es eine solche Einrichtung überhaupt geben muss – Gott sei Dank, dass es sie gibt." Mit diesen Worten hat der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn, am Donnerstag (16. Oktober 2014) seine Eindrücke bei einem Besuch des Vinzenzwerkes in Handorf zusammengefasst.
In der Jugendhilfeeinrichtung, einem sozial- und heilpädagogischen Kinder- und Jugendheim in katholischer Trägerschaft, leben derzeit gut 100 Kinder und Jugendliche in verschiedenen Wohn- und Betreuungsformen. Die Kinder werden dem Vinzenzwerk von verschiedenen Jugendämtern zugewiesen, weil ein Leben in ihren Herkunftsfamilien nicht mehr möglich ist.
Bischof Genn besuchte in Handorf zwei Wohngruppen und tauschte sich mit den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Einrichtung aus. Beim Besuch der integrativen Gruppe "Wolkenburg" erfuhr der Bischof, wie die gemeinsame Betreuung von behinderten und nicht-behinderten Kindern gelingen kann. "Hier wird Integration gelebt", zeigte sich Bischof Genn beeindruckt von dem, was ihm Gruppenleiter Jens Rudel berichtete. Der Sozialpädagoge erläuterte, dass Integration und Inklusion vor allem Gemeinschaft brauchten. Daher werde versucht, die Gruppe "Wolkenburg", die aus neun Kindern besteht, möglichst zusammen zu halten: "Die Gruppe soll das Zuhause der Kinder sein", sagte er.
Gleichwohl sei es das Ziel, dass die Kinder und Jugendlichen Schritt für Schritt befähigt würden, später einmal ein selbstverantwortliches Leben zu führen. Eine wichtige Voraussetzung hierfür sei eine Schul- und Ausbildung. Dabei müsse individuell geschaut werden , zu welchen Leistungen die Kinder und Jugendlichen in der Lage seien. Das Spektrum reiche von der Förderschule bis zum Gymnasium.
Charlene etwa besucht das St.-Mauritz-Gymnasium und erzählte Bischof Genn stolz, dass sie Latein als Fremdsprache lerne. "Wenn mal Hilfe notwendig ist, kann ich ja vorbeikommen", scherzte der Bischof. Vorbeikommen dürfen und sollen im Vinzenzhaus auch die Eltern der Kinder und Jugendlichen: "Wir versuchen nicht, den Eltern Konkurrenz zu machen, sondern wollen – wenn möglich –, dass sie einen engen Kontakt zu ihren Kindern halten", sagte Rudel. Allerdings gebe es auch einige Kinder im Vinzenzhaus, die "incognito" da seien: In diesen Fällen dürfen die Eltern nicht wissen, wo die Kinder sind.
Von der "Wolkenburg" ging es für Bischof Genn ins "Landhaus" – eine reine Mädchengruppe. Schon beim Betreten der ehemaligen Pastorenwohnung fiel dem Bischof auf, "wie schön gemütlich es hier ist". Im Flur brannten Kerzen. es leuchteten Lichterketten, und im Esszimmer erwartete ihn ein gedeckter Kaffeetisch mit Frankfurter Kranz. "Das stand aber nicht auf dem Programm", freute sich der Bischof. Gruppenleiterin Marita Rösch-Richter schilderte ihm, wie wichtig für die hier lebenden Mädchen und jungen Frauen zwischen 13 und 18 Jahren ein geregelter Tagesablauf sei. Dieser beginne um 6.15 Uhr mit dem Frühstück, das der wechselnde Küchendienst der Mädchen selbst vorbereite.. Für viele Mädchen sei es im "Landhaus" schon ein Fortschritt zu erleben: Ich habe mein eigenes Bett, ich habe Kleidung, ich habe immer genug zu essen und zu trinken. "Wichtig ist vor allem aber auch, dass die Mädchen bei uns spüren: Hier habe ich einen Platz, wo ich hingehöre; hier werde ich als individuelle Person angenommen und wahrgenommen – auch wenn noch andere Mädchen hier wohnen", sagte die Wohngruppen-Leiterin.
Bischof Genn zeigte sich sehr beeindruckt von dem, was die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Vinzenzwerk leisten: "Ich kann nur bewundern und empfinde eine tiefe Hochachtung vor dem, was Sie tun und wie Sie es tun. Ich bin Ihnen für Ihren Einsatz ausgesprochen dankbar", sagte er im Gespräch mit Mitgliedern der Mitarbeitervertretung. Bei seinem Besuch habe er vor allem zuhören wollen und sich dann gefragt: "Was mögen diese Kinder und Jugendlichen wohl schon alles hinter sich haben." Zugleich frage er sich, wie es überhaupt möglich sei, bei einem solchen Beruf einmal abzuschalten. Heimleiterin Sr. Mechthild Knüwer und Peter Frings, Vorsitzender des Trägervereins, erwiderten den Dank. "Unser Ziel ist es letztlich, uns überflüssig zu machen", sagte Schwester Mechthild, "und so lange das noch nicht ist, freuen wir uns immer wieder neu daran, wenn Kinder, die hier oft mit grauen Gesichtern ankommen, schon nach kurzer Zeit lachend mit dem Fahrrad über den Hof fahren."
Text: Bischöfliche Pressestelle
Kontakt: pressestelle[at]bistum-muenster.de