Bistumsmitarbeiter testen „Capacitar“

, Stadtdekanat Münster

Bewusst auf die Atmung achten, einzelne Körperpartien ausklopfen, Akkupressur-Punkte finden: Die Übungen erinnern auf den ersten Blick an Tai Chi oder Meditation. Patricia Cane hat uraltes Heilwissen aus aller Welt zusammengetragen und daraus Capacitar entwickelt: Ein Programm, das Menschen Möglichkeiten an die Hand gibt, sich selbst zu heilen und krankheits-, gewalt- und alltagsbedingte Stress- und Schmerzsymptome umzuwandeln. Am 4. Februar war die US-Amerikanerin und Diplom-Psychologin zu Gast in der Ehe-, Familien- und Lebensberatung (EFL) in Münster, um ihre Erfahrungen weiterzugeben.

22 Teilnehmerinnen und Teilnehmer – darunter EFL-Beraterinnen und Berater, Fachkräfte des Caritasverbandes und pastorale Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – nutzten das Angebot, mit der Gründerin der Methode persönlich ins Gespräch zu kommen. „Wir möchten Interessierten diese Erfahrung ermöglichen“, sagte Hans-Georg Hollenhorst, missio-Referent im Bistum Münster. „Denn was ich selber nicht erfahren habe, kann ich auch nicht weitergeben“, begründete er die Kooperationsveranstaltung vom Bistum Münster, dem Diözesancaritasverband und der EFL-Beratungsstelle Münster. 

Capacitar ist spanisch und bedeutet übersetzt: ermutigen, sich selbst befähigen und die eigenen Lebenskräfte stärken. „Ich habe den Begriff in den 1980er Jahren gelernt, als ich während der Contra-Kriege in Nicaragua mit der Arbeit begonnen habe“, erzählte Patricia Cane. Das Grundanliegen von Capacitar sei es, sich von Stresssymptomen und Schmerzen zu befreien und das innere Gleichgewicht zu finden. Dabei gründe die Methode nicht auf einem therapeutischen, sondern auf einem befreiungspädagogischen Ansatz nach Paulo Freire: „Weil dieser Ansatz sehr praxisnah ist, können wir mit unterschiedlichen Kulturen arbeiten“, sagte die 77-Jährige. Vor 30 Jahren in Zentralamerika begonnen, wird die Methode mittlerweile in 40 Ländern angewandt. Erst seit gut einem Jahr wird sie in Deutschland angewandt. 

Missio-Projektpartnerin Ingrid Janisch arbeitet seit mehreren Jahren erfolgreich mit der Capacitar-Methode – erst in Ruanda, dann im Kongo. „Wir haben uns zunächst auf aidskranke Frauen konzentriert, im Kongo arbeiten wir nun mit Kindersoldaten und Flüchtlingen“, berichtete sie. Zweimal pro Woche geht sie in Schulen mit hohem Gewaltpotenzial, macht auf dem Schulhof eine zehnminütige Capacitar-Einheit. „Die Schüler sind konzentrierter, ihre Noten sind besser und mittlerweile wenden auch die Lehrer diese Methode an“, freut sich Ingrid Janisch über den Erfolg. 

Auch im Bistum Münster gibt es viele Fachkräfte, die mit Menschen arbeiten, die von Missbrauch, Flucht und Gewalt betroffen sind. EFL-Leiterin Andrea Stachon-Groth erhofft sich durch den Schnuppertag neue Impulse für den Umgang mit Traumata und Belastung. „Es sind simple Übungen, die unsere Berater sowohl bei ihren Klienten anwenden können als auch bei sich selbst, um die Geschichten und Probleme, die sie täglich hören, zu verarbeiten.“ 

Informationen und Übungen gibt es im Internet auf www.capacitar.org und www.youtube.de. 

Ann-Christin Ladermann