Bischof Genn besucht heilpädagogischen Kindergarten und Förderschule

„Sankt Martin, Sankt Martin…“. Die Kinder der integrativen Gruppe im heilpädagogischen Kindergarten „Die Arche“ in Münster wollen vorbereitet sein, wenn sie in wenigen Tagen das Martinsfest feiern – und haben deshalb nicht nur farbenfrohe Laternen gebastelt, sondern üben auch das Lied, das die Geschichte des Heiligen Martin erzählt. Dass sie am 29. Oktober dabei Unterstützung von einem echten Bischof bekommen, ist eine große Überraschung für die Mädchen und Jungen: Münsters Bischof Dr. Felix Genn sitzt an diesem Morgen mit ihnen im Stuhlkreis. Er besucht die Kindertageseinrichtung sowie die benachbarte Papst-Johannes-Schule – zwei Einrichtungen in Trägerschaft des Bistums Münster, in denen Kinder mit Förderbedarf betreut werden.
 

„Bei uns läuft ganz viel über Bindung und Beziehung“, erklärt Regina Leo, Leiterin des Kindergartens mit fünf heilpädagogischen und einer integrativen Gruppe. Eltern fänden in der Arche einen Ort, an dem ihr Kind so angenommen werde, wie es ist, betont sie. „Viele Eltern sind froh, einen solchen Ort gefunden zu haben, denn noch immer fehlt die Lobby für Kinder mit Förderbedarf“, verdeutlicht Regina Leo und ist dankbar für die bekräftigenden Worte des Bischofs, der ihr und dem Team Respekt und Anerkennung ausspricht: „Menschen mit Behinderung müssen in unserer Gesellschaft integriert sein. Jedes Leben ist lebenswert, und es ist auch Aufgabe der Kirchen, das zum Ausdruck zu bringen“, stellt Genn unmissverständlich klar – und fügt an: „Mit Ihrer Arbeit setzen Sie sich für Teilhabe und Chancengleichheit dieser Mädchen und Jungen ein. Das ist großartig.“

Einen Einblick in den Schulalltag von Kindern mit dem Förderbedarf Geistige Entwicklung bekommt der Bischof ein Gebäude weiter. In der Papst-Johannes-Schule, der einzigen Förderschule in Trägerschaft des Bistums, „hospitiert“ er in der 4. Klasse und kann dabei erleben, wie Elyas, Milla, Kristina und andere Kinder spielerisch den Apfelbaum und seine Veränderungen in den verschiedenen Jahreszeiten kennenlernen. „Es beeindruckt mich sehr, wie das multiprofessionelle Team mit vollem Einsatz dafür Sorge trägt, dass jedes Kind mit seinen Stärken und Potenzialen gesehen wird und in seinem Tempo lernen kann“, fasst Bischof Genn seine Eindrücke zusammen. 

Viel Geduld und Kreativität erforderlich

Im Gespräch mit Schulleiterin Simone Eiteneuer und Vertretern von Schulsozialarbeit, -psychologie und -seelsorge informiert sich der Bischof über die Herausforderungen mit einer Schülerschaft, die eine ganz besondere Aufmerksamkeit und Begleitung benötigt. In den vergangenen Jahren, das zeigt sich in dem Austausch, hat sich die Schülerschaft sehr verändert – manchen Kindern fehlen basale Grunderfahrungen. Andere Schüler bringen eine Autismus-Spektrums-Störung mit, so dass das Lernen in der Gruppe eine Herausforderung für sie darstellt. Und wieder andere Schüler haben traumatische Erfahrungen hinter sich, die unter anderem zu aggressivem Verhalten führen können. Durch erlebnispädagogische Projekte wie die „Wildnis“ und den Umgang mit den Schulhühnern, den Schulhunden und dem Pferd, das einmal in der Woche zur Therapie eingesetzt wird, versucht die Schule sich auf die Bedarfe der veränderten Schülerschaft einzustellen.

„Wir müssen uns immer wieder neu und sehr individuell auf jede Schülerin und jeden Schüler einlassen, uns auf die jeweiligen Bedürfnisse und Möglichkeiten einstellen“, berichtet Simone Eiteneuer. Das erfordere viel Geduld und Kreativität, auch vor dem Hintergrund, dass 47 Prozent der Schüler einen Migrationshintergrund haben und aus 20 Ländern kommen. 

“Ein lebendiger Kirchort”

In der Papst-Johannes-Schule, die vor wenigen Wochen ihr 50-jähriges Bestehen feierte, werde – basierend auf dem christlichen Menschenbild – ein von Respekt, Toleranz und Achtsamkeit getragenes Miteinander vermittelt. „Umso mehr schmerzt es, wenn wir bei einigen wenigen Kindern, nach einer kräftezehrenden Suche nach einer guten Lösung, feststellen müssen, dass wir an unsere Grenzen kommen und eine Beschulung nicht möglich ist“, gibt die Schulleiterin einen Einblick in die Herausforderungen. 

„Die Papst-Johannes-Schule ist ein lebendiger Kirchort“, zeigt sich Schulseelsorger Peter Fendel überzeugt. Vieles im Alltag der Schule sei „gelebtes Christentum“. Neben den regelmäßigen Gottesdiensten und Feiern gehe es ihm sowie Daniela Evels und Christian Damerau, die die Schulseelsorge seitens des Kollegiums mit übernehmen, darum, „da zu sein, Zeit und ein offenes Ohr zu haben für das, was die Menschen bewegt“.

Als „Glücksfall“ bezeichnet die Schulpflegschaftsvorsitzende Britta Kratz im Gespräch mit dem Bischof die Papst-Johannes-Schule. Seit sieben Jahren besucht ihr Sohn Jerome die Förderschule, nimmt täglich insgesamt zwei Stunden Fahrzeit vom Wohnort Billerbeck nach Münster in Kauf. Das Einzugsgebiet musste inzwischen verkleinert werden. Nur noch Kinder mit Förderbedarf Geistige Entwicklung aus dem Stadtgebiet Münster können die Papst-Johannes-Schule besuchen. „Der Bedarf ist hoch, unsere Kapazitäten reichen leider für mehr nicht aus“, erklärt Simone Eiteneuer. Britta Kratz bedauert die Entwicklung zutiefst, denn sie weiß: „Für uns ist es ein Geschenk, dass unser Sohn an dieser Schule sein darf und es schmerzt mich sehr, dass es für andere Kinder außerhalb Münsters keine Möglichkeit mehr gibt, die Papst-Johannes-Schule zu besuchen.“ 

Ann-Christin Ladermann