Vor eineinhalb Jahren wurde das Ehepaar aus Raesfeld Eltern. Jedoch kam der kleine Fridtjof tot zur Welt. „Bereits in der 21. Schwangerschaftswoche stellten die Ärzte eine Unterversorgung fest. Deshalb wurden wir etwas später im Coesfelder Krankenhaus aufgenommen“, berichtet Heike Welsing. Es folgten regelmäßige Untersuchungen und stramme Bettruhe. „Wir waren noch hoffnungsvoll, dass es unser Baby schaffen würde“, sagt die 35-Jährige. Doch in der 26. Schwangerschaftswoche hörte Fridtjofs Herz auf zu schlagen. „Wir waren todtraurig, aber wir wurden im Vorfeld auch gut auf diese Möglichkeit vorbereitet“, lobt Bastian Welsing das offene Miteinander mit dem behandelnden Arzt, Dr. Klaus-Dieter Jaspers, und den Krankenschwestern.
Vom ersten Tag im Krankenhaus hat Schwester Paula Wessel das Paar begleitet. „Sie hat uns in jeder Hoffnung und Angst abgeholt. Sie ist ein Engel auf Erden“, ist Heike Welsing glücklich über die Begleitung der Seelsorgerin. Die Ordensfrau habe sie ermutigt, offen mit ihrer Trauer umzugehen. „Wir dürften alles zulassen, hat sie zu mir gesagt. Das hat mir sehr geholfen“, sagt die Bürokauffrau und ihr Ehemann fügt hinzu: „Ich habe mich komplett in meiner Arbeit versunken und die Trauer für Heike weggedrückt.“ Als Mann habe er die Trauer anders erlebt, „aber man geht genauso dadurch“.
Die Zeit nach der Geburt sei auch als Paar sehr herausfordernd gewesen. „Man trauert um das Kind, um den Verlust und unsere Vorstellung eines Lebens mit ihm. Manchmal waren wir auch sauer auf Fridtjof, dass er einfach gegangen ist.“ Sie hätten beide nicht gewusst, wieviel ein Mensch fühlen könnte. „Es war eine Gefühlsbreite, die von unendlicher Liebe bis hin zu dem Gefühl, dass einem das Herz herausgerissen wird, reicht. Das war unfassbar anstrengend“, gibt Heike Welsing zu, die bei Spaziergängen im Wald Kraft gesucht und gefunden hat. Da habe es auch gutgetan, andere Gesprächsthemen zu haben wie beispielsweise der damals bevorstehende Umzug in das umgebaute Eigenheim.
Geholfen habe es ihr auch, Tagebuch zu schreiben und sich auf gute Erlebnisse zu konzentrieren. „Heute bin ich mal fröhlich, aber auch mal traurig. Das sind dann Fridtjof-Tage, da ist er gerade sehr nah. Es ist schwierig, Gefühle zu benennen“, beschreibt Heike Welsing ihr Befinden. Geholfen haben ihr und ihrem Mann die weiteren Verabredungen mit Schwester Paula sowie die Treffen mit anderen Eltern in Coesfeld, die ebenfalls ihr Kind verloren haben.
Viele Menschen hätten nicht gewusst, wie sie mit ihnen umgehen sollten, sie hätten sich nicht getraut zu fragen, hätten das Thema vermieden und aus vermeintlicher Rücksichtnahme geschwiegen. „Wir fühlten uns so ausgegrenzt. Aber wir haben offen reagiert und ihnen gesagt, dass wir gut über unsere Trauer und das Erlebte sprechen können“, berichtet das Ehepaar. Sie hätten sich über jede Trauerkarte unfassbar gefreut. „Niemand sollte sich scheuen, die Trauernden anzusprechen“, kann Heike Welsing aus ihren Erfahrungen sagen.
Und wenn sie gefragt würden, ob sie Kinder hätten, dann laute ihre Antwort: „Ja, er ist im Himmel. Wir haben ein Sternenkind.“ Ihre größte Angst sei es gewesen, dass Fridtjof vergessen wird. „Ich konnte mir nicht vorstellen, dass er immer dazugehört. Aber diese Angst ist unbegründet. Er hat unser Leben verändert, gewandelt, und ist immer bei uns. Er schwingt im Alltag mit“, berichtet Heike Welsing. Sie freue es, wenn jemand seinen Namen ausspreche.
Das erste Trauerjahr sei mit vielen Aufs und Abs einhergegangen. „Was ich nicht geglaubt hatte, ist aber Wirklichkeit geworden. Nach einem Jahr verändert es sich. Es wird wesentlich besser, immer wieder Stück für Stück“, erklärt sie. Bis dahin sei es ein schwerer Weg gewesen, den jeder für sich allein, aber auch als Paar zusammen, gegangen seien. „Es war ein steiler und dunkler Weg, aber es geht weiter“, haben sie gemeinsam erfahren.
„Die Trauer geht und die Liebe bleibt. Das kann man sich erst nicht vorstellen, aber es ist wirklich so“, sagt Heike Welsing mit Blick auf ihren Mann, der zustimmend nickt.
Michaela Kiepe