Diözesanrat und Kirchensteuerrat tagen zu Missbrauchsprävention und neuem Gesetz

, Bistum Münster

Um sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche zu vermeiden, könnten im Kirchenrecht verbriefte Grundrechte der Gläubigen hilfreich sein. Das hat Prof. Dr. Klaus Große Kracht am 2. September in Münster betont. Auf der gemeinsamen Sitzung des Kirchensteuerrates und des Diözesanrates des Bistum Münster informierte der Historiker über die strukturellen Ursachen sexuellen Missbrauchs in der katholischen Kirche, die sich aus der im Juni veröffentlichten Studie für das Bistum Münster ableiten lassen. Große Kracht ist einer der Autoren der Studie.

Porträtfoto von Prof. Dr. Klaus Große Kracht

Prof. Dr. Klaus Große Kracht

© Bistum Münster

Für den Historiker liegt eine zentrale strukturelle Ursache des sexuellen Missbrauchs in der Kirche in einem System der „organisierten Unverantwortlichkeit“. In der Vergangenheit sei in der Kirche wenn überhaupt nur verdeckt über sexuellen Missbrauch gesprochen worden, „und es war unklar, wer die Verantwortung der Intervention hatte“, sagte Große Kracht. Er warb für klare Verantwortlichkeiten und für eine externe, unabhängige Kontrolle: „Auch braucht es mehr Bürokratie im Sinne einer professionellen Aktenführung, Unterschriften-Regelungen und Übergabeprotokollen. Bürokratie verhindert Korruption.“  

Große Kracht machte zudem deutlich, dass es in der Vergangenheit das Hauptziel kirchlicher Verantwortungsträger gewesen sei, Tätern die Fortführung ihrer priesterlichen Existenz zu ermöglichen. „Der Schutz des Sakramentes stand vor dem Schutz der Gläubigen“, sagte er. Als weitere Ursachen sexuellen Missbrauchs benannte er einen Klerikalismus, der dem Priester stets unkritisch als Respektsperson begegnete, das Autoritätsgefälle zwischen Priestern und Laien , die katholische Sexualmoral und kirchliche Kindheitsvorstellungen. Der Historiker sprach sich dafür aus, in der Präventionsarbeit nicht nur auf pädophil veranlagte Täter zu schauen, also auf Täter, deren primäres sexuelles Interesse Kindern vor der Pubertät gilt. Stattdessen müsse auch der regressive Tätertyp beachtet werden. Dieser Tätertyp befriedigt seine sexuellen Bedürfnisse mit Kindern, weil diese ihm unterlegen sind und keine Bedrohung für sein Selbstwertgefühl darstellen. Ebenso müsse der „pastorale“ Tätertyp in den Blick genommen werden. Diesen beschrieb der Historiker dahingehend, dass Priester Jugendliche in pastoralen Bezügen von sich abhängig machen, weil es in Kirche und Seelsorge „asymmetrische Machtkonstellationen“ gibt. Schließlich unterstrich Große Kracht die Notwendigkeit, Kinder zu selbstbewussten Personen zu erziehen, sie stark zu machen und ihnen zu vermitteln, dass sie auch „Nein“ sagen dürfen.  

Weiteres zentrales Thema der Sitzung war die Haushalts- und Finanzsituation des Bistums (siehe gesonderte Pressemitteilung).

Daneben informierte die Justitiarin des Bistums, Gisela Kaup, in einem Zwischenbericht über das neue Vermögensverwaltungsgesetz. Es soll das bisher in allen nordrhein-westfälischen Bistümern gültige „Preußische Gesetz über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens“ (Landesgesetz NRW) von 1924 ablösen. „Ziel dabei ist es, dass das Kirchenvorstandsrecht den immer komplexer werdenden Anforderungen an die kirchengemeindliche Vermögensverwaltung besser gerecht wird und die Rolle der ehrenamtlich Engagierten modernisiert wird“, sagte Kaup. Deswegen solle das derzeitige Landesgesetz abgelöst und in ein kirchliches Gesetz transferiert werden. Gleichzeitig werde die Wahlordnung zur Wahl der Kirchenvorstände novelliert. Bei der Entwicklung des neuen Gesetzes und der neuen Wahlordnung orientieren sich die Bistümer in Nordrhein-Westfalen nach Angaben der Justitiarin an folgenden Leitlinien: Die Verantwortung für die Vermögensverwaltung der Kirchengemeinde soll weiterhin dem Kirchenvorstand obliegen. Dabei sollen die Finanzplanung und die Vermögensverwaltung besser mit den pastoralen Anforderungen verzahnt und vernetzt werden. Es ist vorgesehen, dass mindestens ein Mitglied des Pfarreirates der Kirchengemeinde Mitglied im Kirchenvorstand ist. Die Mitwirkung von Laien als zentrales Kennzeichen der Arbeit in den Kirchenvorständen wird gestärkt. Zudem soll die Attraktivität des Ehrenamts erhöht werden, indem sich die Mitglieder nicht mehr langfristig für sechs Jahre festlegen müssen, sondern das Amt nur noch für vier Jahre übernehmen.

In den vergangenen Wochen lief in allen nordrhein-westfälischen Bistümern ein umfassendes Beteiligungsverfahren. Die Justitiarin informierte darüber, dass es bereits eine Reihe von Rückmeldungen gegeben habe. Kritisch gesehen würden dabei unter anderem die vorgesehene mögliche Reduzierung des Kirchenvorstands auf mindestens fünf Mitglieder sowie die vorgesehene Verkürzung der Amtszeit auf vier Jahre. Kritik gebe es auch an der Tatsache, dass der Pfarrer weiter den Vorsitz des Kirchenvorstandes innehaben solle. Hier lassen laut Kaup die kirchenrechtlichen Vorgaben aus Rom allerdings keinen Spielraum. Vorgeschlagen wird in den Rückmeldungen auch, ein digitales Wahlverfahren zu etablieren. Die Frist, um sich noch mit eigenen Einschätzungen und Hinweisen einzubringen, endet am 18. September. Danach werden die NRW-Bistümer die endgültige Fassung erstellen und in den Landtag einbringen.

Der Diözesanrat ist das oberste synodale Mitwirkungsgremium. Durch ihn nehmen die Gläubigen des Bistums an der Leitung des Bistums durch den Bischof teil. Aus den vielen Feldern kirchlicher Arbeit kommen hier Vertreterinnen und Vertreter zusammen, um an den zentralen Entscheidungen im Bistum mitzuwirken und den Bischof zu beraten. Der Kirchensteuerrat setzt unter anderem den Haushaltsplan des Bistums fest und genehmigt die Jahresrechnung. Er beschließt den Stellenplan der Mitarbeitenden (Laien) für das Bistum Münster und entscheidet über die Bereitstellung finanzieller Mittel. Der Kirchensteuerrat ist ein gewähltes Gremium aus Laien und Priestern.

Stephan Kronenburg