Du sollst nicht töten
Es ist die bekannteste, längste und letzte der drei Protest-Predigten, die Bischof Clemens August Graf von Galen im Sommer 1941 vor Gläubigen in Münster gehalten hat: seine so genannte Euthanasiepredigt unter dem Thema "Du sollst nicht töten!".
Auf den Tag genau 75 Jahre später trug Weihbischof Dr. Stefan Zekorn diese Predigt, in der Galen den Transport und die Ermordung von Kranken aus Heil- und Pflegeanstalten durch die Nationalsozialisten anprangert, den knapp 400 Menschen im Dom St. Ludgerus in Billerbeck vor. Diese hörten aufmerksam zu, als Zekorn mit ruhiger Stimme, akzentuiert und ohne Pathos die Worte des späteren Kardinals lebendig werden ließ. "Wenn man den Grundsatz aufstellt und anwendet, dass man den ‚unproduktiven‘ Mitmenschen töten darf, dann wehe uns allen, wenn wir alt und altersschwach werden!", trug Zekorn aus der Predigt vor. Keiner sei mehr seines Lebens sicher. "Der Löwe von Münster" erinnerte in seinen Worten an die zehn Gebote, die der gerechte Gott aus Liebe zu den Menschen in die Herzen eingeschrieben habe. "Wenn wir Menschen diesen Befehlen, diesen Einladungen, diesem Rufe Gottes folgen, dann sind wir behütet, beschützt, vor Unheil bewahrt, gegen das drohende Verderben verteidigt", las der Weihbischof vor. Zum Abschluss rief Galen die Christen auf, zu erkennen, was zum Frieden dient, was allein retten kann: "dass wir rückhaltlos und ohne Abstrich die von Gott geoffenbarte Wahrheit annehmen und durch unser Leben bekennen." Das beinhalte auch, den vertrauten Umgang mit denjenigen zu meiden, die den Glauben lästern, die Gottes Gebote verachten, die die Jugend dem Christentum entfremden, Ordensleute berauben und unschuldige Menschen dem Tod überliefern.
"Auf mich wirkt diese Predigt auch nach 75 Jahren immer noch sehr eindringlich und eindrücklich. Besonders die Betonung auf die liebende Fürsorge Gottes und seine zehn Gebote, die er aus Liebe zu den Menschen und für ihr Wohlergehen verkündet hat, haben mich beeindruckt", beurteilte Zekorn die Worte Galens und fügte hinzu: "Auch wenn wir in einer anderen Zeit leben, ist die Predigt in vielem erschreckend aktuell – vor allem dort, wo es um den Lebensschutz geht." Der Weihbischof erinnerte die Zuhörer an das mit nur knapper Mehrheit im Bundestag verabschiedete "einigermaßen verantwortbare" Gesetz zum assistierten Suizid und an die vielen im Mutterleib getöteten Kinder, insbesondere die, bei denen eine Behinderung angenommen werde. Ebenso denke er an die Folgen, die eine allgemeine Orientierungslosigkeit vieler Kinder und Jugendlicher habe. "Ich kenne inzwischen Schulen, in denen ein Viertel der Schüler und mehr in psychotherapeutischer Behandlung ist", erklärte der 56-Jährige. Zudem verwies er auf die mehr als 3000 Menschen, die in diesem Jahr im Mittelmeer auf dem Weg nach Europa ertrunken sind. "Weil Europa einfach wegschaut, weil Europa nur mit wenigen Booten bereit ist, ihnen zu helfen und weil auch wir wegschauen."
Zu Beginn des Abends hatte Historikerin Ingrid Lueb in das Thema eingeführt und die Galen-Predigt in ihr geschichtliches Umfeld eingeordnet. An der Orgel stimmte Dr. Hans-Peter Siedhoff aus Lüdinghausen die Menschen im Billerbecker Dom auf den Vortrag ein. Im Anschluss unterstrich er das gehörte Wort abermals durch Musik.
Überrascht, erfreut und gleichzeitig berührt zeigte sich auch Propst Hans-Bernd Serries über die Resonanz und die Reaktionen auf die von ihm initiierte Reihe, in der die drei berühmten Predigten zur Verteidigung der Menschenrechte aus dem Sommer 1941 im Mittelpunkt standen. "Wir wollten das Gehörte ins Heute holen und diesen wichtigen Teil der Bistumsgeschichte wach halten. Das ist uns gelungen", freute er sich. Weil nach den Vorträgen viele Menschen auf ihn zugekommen seien und gern weiter über das Gehörte gesprochen hätten, wird es am Freitag, 18. November, um 19.30 Uhr einen Vortrags- und Gesprächsabend zu Bischof Clemens August Graf von Galen im Pfarrheim in Billerbeck geben.
Bildunterschrift: Im gut besetzten Billerbecker Dom hörten die Besucher aufmerksam der Predigt von Bischof Clemens August Graf von Galen zu, die Weihbischof Dr. Stefan Zekorn akzentuiert vortrug.
Text: Bischöfliche Pressestelle/04.08.16
Kontakt: Pressestelle[at]bistum-muenster.de
Foto: Michaela Kiepe/Bischöfliche Pressestelle