Ehrenamtliche in der TelefonSeelsorge berichten 2014
Am anderen Ende der Telefonleitung wartet die Einsamkeit. Oder die Krankheit. Oder die Angst. Oft aber auch die Dankbarkeit. Oder die Erleichterung, Schicksal und Gedanken geteilt und mitgeteilt zu haben.
So oder so: Die Ehrenamtlichen der TelefonSeelsorge Münster sind durch eine anderthalbjährige Ausbildung auf ihre Aufgabe vorbereitet. Im Oktober startet ein neuer, für die Teilnehmenden kostenloser Ausbildungskurs, zu dem sich Interessierte jetzt anmelden können.
Was diese erwartet, wissen Martin Deiter und Pia Papst (beide Namen geändert) genau. Der pensionierte Lehrer gehört seit 2010, die Sozialpädagogin seit 2012 zu den Münsteraner Ehrenamtlichen der TelefonSeelsorge. Telefonisch beraten und unterstützen sie Menschen in Krisen- und Notsituationen, und das – je nach Schicht – auch mitten in der Nacht. Schließlich ist die Telefonseelsorge rund um die Uhr erreichbar.
Der Bedarf ist da: 2013 verzeichnete die TelefonSeelsorge Münster rund 26.800 Anrufe. 20 Prozent der Anrufenden missbrauchten die Ehrenamtlichen etwa für belästigende Anrufe, weitere 27 Prozent legten einfach auf. Über die Hälfte der Menschen aber, die sich an die Telefonseelsorge wandten, hatte ein ernsthaftes Anliegen.
Für diese Herausforderung haben Deiter und Papst ihre jeweils ganz eigene Motivation. "Ich habe ein gutes Leben", erzählt Deiter, "sodass ich nach der Berufsphase etwas zurückgeben wollte. Und was ich zu geben hatte und habe, ist Zeit." Von der investiert er jetzt bis zu 20 Stunden monatlich in sein Ehrenamt. So lange sind die rund 80 Ehrenamtlichen pro Person im Einsatz, entweder am Telefon oder – wie Deiter – zusätzlich noch in der Mailberatung.
Pia Papst berät und begleitet bislang ausschließlich am Telefon. "Ich fand es spannend, über dieses Medium mit Menschen in Kontakt zu treten", schildert sie, "und ich war neugierig auf die Herausforderung, auf diese Weise mit ihren Anliegen umzugehen."
Diese sind vielfältig. Wie Thomas Kamm, stellvertretender Leiter der TelefonSeelsorge Münster weiß, geht es um Einsamkeit, körperliche oder seelische Erkrankungen, Traurigkeit. Zunehmend seien "sozial prekäre Lebensverhältnisse" Anlass für die Kontaktaufnahme. "Das sind enttäuschte Menschen, die auf der sozialen Leiter abgestiegen sind", beschreibt Kamm.
Martin Deiter hat die Erfahrung gemacht, "dass mich solche Gespräche dankbar für das, was ich habe, und sehr demütig nach Hause fahren lassen.“ Auch Pia Papst fühlt sich durch ihr Ehrenamt „für das eigene Leben bereichert, weil es so viele Momente von Dankbarkeit gibt."
Um diese Dankbarkeit zu erfahren, müssen die Ehrenamtlichen gar nicht mal jedes Problem lösen, das Anrufer vortragen. "Wir haben gelernt, dass Ziel des Gesprächs nicht zwingend ein konkretes Ergebnis ist, sondern eher, mit dem Anrufer seine Ressourcen zu reflektieren und ihn zu ermutigen, diese zu nutzen", erklärt Deiter. Thomas Kamm bestätigt: "Viele Menschen erwarten keine Lösung, sondern sind erleichtert, ihre Lage mal ausbreiten zu können." Denn ein Großteil der Anrufer erhalte wenig Unterstützung aus seinem Umfeld.
Natürlich gibt es neben Dankbarkeit und Erfolgserlebnissen auch "Frustgespräche", wie Papst sie nennt: Wenn die Anrufenden plötzlich auflegen, aggressiv werden oder an einer Suizidabsicht festhalten. Wenn kein echter Kontakt entsteht. Wenn Kinder die Betroffenen sind.
Dafür hat jeder und jede Ehrenamtliche Rituale. „Ich schreibe mir solche Fälle in eine Kladde, die hier bleibt, sodass ich sie symbolisch hierlasse“, schildert Deiter. Pia Papst verweist auf den Wechsel der Örtlichkeiten: „Es ist wertvoll, dass man Telefonseelsorge hier macht. Zu Hause ist dann eine ganz andere, eigene Welt.“ Außerdem hilft in belastenden, nachwirkenden Situationen der Austausch in der Gruppe, ebenso die regelmäßige fachliche Weiterbildung. Ergänzend steht jederzeit einer der Hauptamtlichen per Rufbereitschaft zur Verfügung.
Neben Weiterbildung und Unterstützung ist auch die gezielte Auseinandersetzung mit der eigenen Biographie während der Ausbildung wichtig. "Dabei bin ich mir selbst besser auf die Spur gekommen", sagt Martin Deiter. Nicht nur deshalb sind er und Pia Papst von ihrem Ehrenamt unvermindert begeistert. "Es ist einfach so spannend und vielfältig, jedes Gespräch ist ganz anders und ganz neu", findet die Sozialpädagogin.
Wer sich für eine Mitarbeit in der Telefonseelsorge stellt, sollte laut Thomas Kamm persönlich und seelisch stabil sowie bereit zur Auseinandersetzung mit sich selbst und mit anderen sein. "Nach der Bewerbung finden ein Kontaktgespräch und ein Entscheidungstag in der TelefonSeelsorge statt", erklärt Kamm. Danach entscheiden beide Seiten, ob die Ausbildung sinnvoll sei. "Die zentralen Elemente sind einerseits die personalen Kompetenzen und ein gewisses Gesprächsführungswissen und andererseits das Gefühl für das, was die Anrufenden individuell brauchen", fasst Kamm zusammen.
Interessierte an der Ausbildung können sich für den Bereich Münster an die Geschäftsstelle der TelefonSeelsorge unter Tel. 0251/ 482570 wenden und sich im Internet unter www.telefonseelsorge-muenster.de informieren. Weitere Telefon Seelsorge Stellen im Bistum Münster gibt es in Wesel, Recklinghausen und Oldenburg.
Text: Bischöfliche Pressestelle
Kontakt: pressestelle[at]bistum-muenster.de
