„Ein Gefühl, das sich nicht messen lässt“

, Bistum Münster

Es ist dieses Gefühl, niemanden zu haben. Niemanden, der mit einem redet, niemanden, der einen in den Arm nimmt. Gerade ältere Menschen fühlen sich oft einsam, wenn der Partner gestorben ist und die Freunde weniger werden. „Betroffen sind aber nicht nur die Älteren“, weiß Prof. Dr. Thomas Reker, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, aus seiner beruflichen Praxis. „Es gibt auch junge Menschen, die unter Einsamkeit leiden.“ Wie sich das anfühlt und wann man wirklich einsam ist, das lasse sich nicht in zwei Sätzen sagen. „Einsamkeit ist eine komplexe Lage mit ganz unterschiedlichen inneren und äußeren Faktoren“, so der frühere Ärztliche Direktor der LWL-Klinik in Münster, der als Diakon zum Seelsorgeteam der Pfarrei St. Lamberti gehört.

Prof. Dr.  Thomas Reker

Prof. Dr. Thomas Reker, Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie, früherer Ärztlicher Direktor der LWL-Klinik in Münster und Diakon im Seelsorgeteam der Pfarrei St. Lamberti, kennt aus der Praxis das Problem der Einsamkeit.

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Natürlich gebe es auch Menschen, die gerne allein und dabei nicht einsam sind, räumt Reker ein. Genauso wie diejenigen, die sich unter Menschen einsam fühlen.

„Die meisten Einsamen empfinden in ihrer Situation ein Unwohlsein.“ Das werde in den Gesprächen immer wieder deutlich, betont der Psychiater. Verbunden damit sei oftmals auch eine Traurigkeit, besonders nach dem Verlust des Partners. „Andere Menschen können diese Lücke nicht füllen“, ergänzt Reker. Auch Verzweiflung könne eine Folge sein.

Aus der Einsamkeit herauszukommen, sei nicht einfach, gibt der Experte zu. Dazu brauche es andere Menschen. „Bloße Kontakte lösen nicht das Problem der Einsamkeit, dafür braucht es menschliche Bindungen und Nähe“, erklärt der Mediziner.

Vor allem psychisch Erkrankte seien oftmals einsam. „Weil andere sich aufgrund der Diagnose zurückziehen.“ In der Tendenz allerdings seien mehr ältere Menschen betroffen.

Ob dieses Gefühl von Einsamkeit in den unterschiedlichen Altersgruppen unterschiedlich schlimm empfunden werde, da will sich Reker nicht festlegen: „Das Gefühl lässt sich nicht messen und bewerten.“ Fest stehe jedoch, dass jüngere Menschen leichter einen Weg aus der Einsamkeit fänden. „Sie haben einfach mehr Möglichkeiten, anderen Menschen zu begegnen.“

Aus seiner Arbeit als Seelsorger kennt der Arzt die verschiedenen kirchlichen Angebote, die besonders älteren Menschen bei Kontakten helfen sollen. „Doch niemand sagt von sich gerne, dass er einsam ist“, benennt Reker ein Problem. Einsamkeit werde nicht selten als beschämend empfunden. „Viele, die sich zu den unterschiedlichen Angeboten aufraffen können, sind am Ende erstaunt, wie viele Gleichgesinnte es in ihrer Umgebung gibt.“

Von den Veranstaltern solcher Angebote wünscht er sich als Psychiater und Diakon, dass sie auf diejenigen zugehen, die das erste Mal dabei sind: „Damit macht man es ihnen leichter, in der Gruppe anzukommen.“

Einsamen Menschen fehle es meistens an Hoffnung. „Sie glauben nicht, dass sich in ihrem Leben noch mal etwas ändern wird“, fasst es Reker zusammen. Wichtig sei dann, dass ihre Umgebung dies wahrnehme und direkt reagiere.

Gudrun Niewöhner