"Engel der Kulturen" rollt durch Hamm

, Kreisdekanat Warendorf

Tel Aviv, Brüssel, Hamm – so unterschiedlich die drei Städte auf den ersten Blick sind, haben sie doch eines gemeinsam: Alle drei hatten einen Engel zu Gast, einen Engel aus Stahl. Mit einem dumpfen Scheppern rollte der 1,50 Meter hohe Stahlhohlkörper durch die Straßen im Hammer Norden, dem Multikulti-Viertel der Ruhrgebietsstadt. Auf den ersten Blick gibt er sein Geheimnis nicht preis. Erst als die überdimensionale Sandform auf den Boden gelegt wird und Kinder aller Herren Länder nassen, weißen Quartzsand einfüllen, wird er sichtbar, der „Engel der Kulturen“.

Nicole Schreckenberg, Leiterin des Kita-Verbunds in der Hammer Kirchengemeinde Kardinal-von-Galen, hat zusammen mit ihren drei Kitateams diese Kunstinstallation zum Abschluss ihrer Teilnahme am Aktionsprogramm Kita – Lebensort des Glaubens des Bistums Münster in ihr Viertel geholt. „Der ‚Engel der Kulturen‘ zeigt auf eindrückliche Weise, was wir hier leben: das friedliche Miteinander der Religionen“, erklärte Schreckenberg die Entscheidung für das Kunst-Projekt, „als Zeichen gegen Ausgrenzung“. Ein wichtiges Thema in einem Verbund, in dem Kinder aus 20 Nationen zusammenkommen. Religionstechnisch ist die Zusammensetzung aus Muslimen, Christen, Jesiden und Anhängern afrikanischer Naturreligionen nicht weniger bunt. „Diese bunte Vielfalt feiern wir gemeinsam im ‚Engel der Kulturen‘“, freute sich die Verbundleitung.

Die Skulptur des Künstlerpaares Carmen Dietrich und Gregor Merten rollt seit 2008 durch deutsche und europäische Städte und soll den interkulturellen Dialog fördern. Meister Zufall hat die Aktion auf den Weg gebracht. Denn was passiert, wenn man die Symbole der drei abrahamitischen Weltreligionen – Halbmond, Kreuz und Davidstern – innerhalb eines Kreises zueinander in Beziehung setzt, stellten die Künstler Carmen Dietrich und Gregor Merten vor elf Jahren fest: „Überraschenderweise visualisiert diese Formation die Gestalt eines Engels“, erzählte Merten. Das entstandene Objekt nannten sie „Engel der Kulturen“. Der Engel solle das Verbindende bildlich darstellen. „Wenn eines der Symbole herausgelöst wird, werden auch die anderen beschädigt“, erläuterte der Künstler. „Es zeigt, dass wir alle trotz unserer Verschiedenheit zusammengehören. Und, Engel gibt es in allen drei Religionen.“

Vorbei an der Herz-Jesu-Kirche rollte der Engel weiter zur Ludgerischule und zum Stadtteilzentrum. Immer größer, immer bunter wurde die ihn begleitende Menschenmenge. An den Stationen wurden vergängliche Quarz-Engel geschaffen, die im Hammer Norden für ein friedliches und respektvolles Miteinander der Kulturen und Religionen werben sollen. Insbesondere die Arbeit mit jungen Menschen ist den Künstlern ein Herzensanliegen. Sie haben 2016 eine „Engel der Kulturen“-Stiftung gegründet und zertifizieren seither teilnehmende Schulen und andere Institutionen für ihr interkulturelles Engagement. Auch der Hammer Kita-Verbund wurde ausgezeichnet. 

Am Ende der Aktion wurde auf dem Platz vor der Kirche – als bleibendes Zeichen – eine blaue Bodenintarsie verlegt. Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann, Pfarrer Davis Puthussery und Kinder unterschiedlicher Religionen legten mit Hand an und ließen gemeinsam einen Engel in den Boden ein. „Der ‚Engel der Kulturen‘  ist ein schönes Symbol für die gemeinsame Herkunft der drei Weltreligionen Christentum, Judentum und Islam“, freute sich der Oberbürgermeister. „Hier in Hamm leben Menschen dieser Religionen ganz selbstverständlich zusammen und respektieren sich und die jeweiligen Kulturen gegenseitig.“ 

Jürgen Flatken

Oberbürgermeister Thomas Hunsteger-Petermann aus Hamm, Künstlerin Carmen Dietrich und Pfarrer Davis Puthussery mit Kindern unterschiedlicher Religionen stehen um die Engel-Intarsie herum.

© Jürgen Flatken