Familie Shamoon floh aus dem Irak - und lebt heute in Rheine
Sie mussten weg. Über Nacht. "Sonst würde mein Mann sicher nicht mehr leben." Wenn die heute in Rheine lebende Irakerin Dr. Faten Shamoon erzählt, wird ihre Stimme leise:
"Man hat ihm Geschäfte mit dem Erzfeind Israel vorgeworfen." Im Irak steht darauf im schlimmsten Fall die Todesstrafe.
Die Familie bezahlte eine Geldstrafe - der Vater zweier kleiner Töchter kam frei. Für wie lange? Als Katholiken waren sie Repressalien gewohnt: "Doch danach hatten wir schreckliche Angst, das mein Mann erneut verhaftet wird." Die Shamoons hatte keine Wahl, sie mussten die Heimat verlassen, fliehen.
Mit dem Auto machte sich die Familie 2001 auf den Weg in den Nordirak - und weiter in die Türkei. Schleuser setzten sie nach drei Monaten spät abends im Dunkeln auf einer Straße in Dresden ab: "Wir hatten keine Papiere dabei, gesundheitlich ging es uns schlecht." Die Polizei entdeckte Eltern und Kinder. Sie wurden in eine Asylunterkunft in Chemnitz gebracht. - Längst hat sich alles zum Guten gewendet: Seit 2007 lebt die Familie in Rheine. Faten Shamoon leitet als Frauenärztin n das Brustzentrum am Mathias-Spital.
In Bagdad haben die Shamoons in einem christlichen Viertel gewohnt, die Ärztin hatte eine Praxis. "Wir wurden unterdrückt, genötigt, verfolgt", sagt die heute 51-Jährige. Gerne hätte sie sich nach dem Studium spezialisiert, doch als Christin durfte sie keine Ausbildung zur Gynäkologin machen. Faten Shamoon hat es hingenommen – bis zu den Vorfällen im Jahr 2001.
Für die im Irak verharrenden Christen, wie Shamoons Eltern, wurde das Leben nach der Festnahme von Diktator Saddam Hussein 2003 noch schwieriger. Ihre Eltern blieben trotzdem – auch wenn die Tochter mit Familie in Deutschland war. Erst als der jüngste Bruder auf dem Weg zur Arbeit im Bus von der Miliz entführt wurde, packten auch Faten Shamoons Eltern wenige Sachen zusammen und flüchteten in den Nordirak, nach Erbil, einer Stadt etwa 80 Kilometer von Mossul entfernt.
2014 besuchten die Shamoons ihre Familie dort. Der Bruder feierte Hochzeit. Doch das Fest wurde überschattet von den Kämpfen der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS): "Der Krieg kam immer näher, wir fühlten uns machtlos." Bis auf einen Bruder sind inzwischen alle Familienmitglieder in Deutschland. "Nicht freiwillig", fügt die Ärztin an: "Niemand gibt freiwillig seine Heimat auf." Sie weiß, wovon sie spricht.
In Rheine fühlen sich die Shamoons wohl, sie sind angekommen, haben die deutsche Staatsbürgerschaft. Ihre Anträge auf Asyl wurden schnell genehmigt. Faten Shamoon nahm an einem Sprachkursus für Mediziner teil, fand schnell eine Stelle und durfte endlich ihren Facharzt machen. Durch Zufall landete die Familie 2007 im Münsterland. Die älteste Tochter studiert mittlerweile, die jüngere besucht noch die Schule in Rheine.
Ein Zurück in den Irak wird es für die Familie nicht geben. Nicht mehr. Vor drei Jahren hat Faten Shamoon darüber nachgedacht: "Doch ein Christ kann im Irak nicht in Sicherheit leben." Aus Verantwortung für ihre beiden Töchter hat sie sich damals dagegen entschieden. Heute ist eine Rückkehr kein Thema mehr. Nicht nur, aber auch wegen des mysteriösen Todes ihres Onkels. Der katholische Bischof starb unerwartet nach einer Blinddarmoperation. Die Umstände blieben rätselhaft.
Bildunterschrift: Dr. Faten Shamoon kam 2001 mit ihrer Familie aus dem Irak nach Deutschland. Als Christen wurden sie in ihrer Heimat verfolgt.
Text: Bischöfliche Pressestelle / 06.12.16
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