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Fernsehjournalist rät Kirche: „Locker bleiben!“

, Stadtdekanat Münster

Wenn Rainald Becker ein Jahr Zeit hätte, er wüsste, was er dann machen würde: „Endlich meine Doktorarbeit fertigstellen, die seit Ewigkeiten in der Schublade liegt.“ In den vergangenen drei Jahrzehnten blieb dafür keine Luft. Zu sehr hat sein Beruf als Fernsehjournalist den 58-Jährigen, der bis 2016 das Politmagazin „Bericht aus Berlin“ moderierte, eingespannt. Doch der ARD-Chefredakteur und Koordinator für Politik, Gesellschaft und Kultur ist froh darüber: „Ich arbeite gerne, es ist viel Überraschung dabei, das erfüllt mich.“

Über berufliche Erfahrungen sowie Einschätzungen aus den Bereichen Politik, Medien und Kirche sprach der gebürtige Krefelder am 12. Dezember beim „Theo-Talk“ im vollbesetzten Hörsaal der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster. Regelmäßig laden die Studierenden des Arbeitskreises Mentorat in Kooperation mit dem Netzwerkbüro Theologie und Beruf zum „Theo-Talk“ mit Theologen aus unterschiedlichen Berufsfeldern ein.

Schon während seines Studiums der Sozialwissenschaften, Politik und katholischen Theologie arbeitete Becker beim WDR-Fernsehen als freier Mitarbeiter. Nach seinem Wechsel 1986 zum Süddeutschen Rundfunk, heute Südwestrundfunk (SWR), konzentrierte er sich auf innenpolitische Themen und die Auslandsberichterstattung, bereiste nahezu alle Länder Afrikas: „Ich war als Kriegsberichterstatter im Golfkrieg. Neben mir wurde ein Kollege erschossen. Das hat mich geprägt“, blickte er zurück. Auch während seiner 16-jährigen Tätigkeit im ARD-Hauptstadtstudio Berlin standen sowohl Innen- als auch Außenpolitik im Mittelpunkt. Als Koordinator für Politik, Gesellschaft und Kultur in der ARD sind seit eineinhalb Jahren nun andere Fähigkeiten von ihm gefragt: „Meine jetzige Aufgabe gleicht eher einem Managerjob“, erklärte er den Studierenden.

Aus politischer Sicht liegt ein turbulentes Jahr hinter ihm und seinem Team: „Es gibt sieben Parteien im Bundestag, da fallen eine Menge Themen an.“ Noch gut erinnert Becker sich an die von ihm moderierte „Elefanten-Runde“ am Abend der Bundestagswahl, in der der bayerische Innenminister Joachim Herrmann dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk eine Mitschuld am Erfolg der AfD vorwarf: „Mit solchen Attacken lenken Politiker von ihrem eigenen Versa-gen ab.“ Die ARD habe zwar im Vorfeld immer wieder über die Flüchtlingssituation sowie die Integration von Asylsuchenden berichtet, „aber nur, weil das die Themen der Gesellschaft waren“, erklärte er.

Nach wie vor einen großen Einfluss auf die Gesellschaft schreibt der Fernsehjournalist der katholischen Kirche zu: „Die Kirche ist neben den Kulturschaffenden die größte Fürsprecherin für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk“, erklärte Becker. Beide Sparten hätten es andernfalls schwer, einen Platz im Fernsehprogramm zu bekommen. Groß sei der Einfluss außerdem, weil die meisten Menschen zumindest in jungen Jahren kirchlich sozialisiert werden. „Wenn sich der Papst zu Politischem äußert oder die deutsche Übersetzung des Vaterunsers kritisiert, ist das ein großes Thema“, griff der Journalist die aktuelle Debatte auf. Mit Blick auf die Darstellung der katholischen Kirche in den Medien riet er: „Dogmatische Auslegungen sind immer schlecht. Einfach locker bleiben.“

ARD-Chefredakteur und Fernsehjournalist Rainald Becker

ARD-Fernsehjournalist Rainald Becker war zu Gast beim „Theo-Talk“ in der Katholisch-Theologischen Fakultät in Münster.

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