Franz-Thomas Sonka wird verabschiedet

, Bistum Münster

Sonntagmorgen in Münster. In der St.-Pius-Kirche sind Menschen zusammengekommen, die auf Englisch und Tagalog, Ungarisch und Arabisch beten, singen und tanzen. „Am Anfang stand ich noch steif in der Ecke“, erinnert sich Franz-Thomas Sonka an seine Anfänge und lacht. „Heute bewege ich mich spätestens zur Predigt auch mit.“ Nach 17 Jahren als Referent für die Seelsorge in anderen Sprachen und Riten wird er Ende September in den „Ruhestand“ verabschiedet – schweren Herzens. „Ihr werdet mir fehlen“, sagt er oft, wenn er die Gemeinden in den zurückliegenden Wochen zum letzten Mal besucht hat.
 

Franz-Thomas Sonka (Mitte) bei der Wallfahrt der Gemeinden anderer Muttersprache im Bistum Münster in Kevelaer am 21. September 2025: Gerne war er als Referent für die Seelsorge in anderen Sprachen und Riten mitten unter den Menschen.

© privat

Geboren 1959 folgte auf den Zivildienst eine prägende Zeit in Brasilien, wo er die Befreiungstheologie und das Leben in den kirchlichen Basisgemeinden kennengelernt hat: Begegnungen mit Theologen wie Dom Helder Câmara gaben Sonka eine klare Haltung: „Da habe ich gelernt: Theologie ist Praxis, Option für die Ärmsten, die an den Rändern Lebenden.“ Zurück in Deutschland studierte er Theologie und Philosophie in Münster – und war der erste staatlich anerkannte Laientheologe an der damaligen Hochschule der Kapuziner und Franziskaner. Im Bistum Münster, wo er in diesem Jahr sein 40-jähriges Dienstjubiläum feiern konnte, war er zunächst Leiter der Offenen Jugendarbeit in St. Sebastian Münster-Nienberge, organisierte später als Referent für Religiöse Bildung in der Jugendabteilung des Generalvikariates unter anderem große Messdienerwallfahrten und Weltjugendtage in Rom, Paris und Toronto. Später baute er das Angebot der Citypastoral, das Kirchenfoyer an der Lambertikirche, auf: „Ein echtes Lernfeld, im Hinblick darauf, was es heißt, Leitung zu übernehmen“, sagt er. 

 „Diese interkulturelle Arbeit ist meins.“

2008 wechselte er in die heutige Abteilung Weltkirche. Ein wenig widerwillig zunächst – „eigentlich wollte ich aus dem Kirchenfoyer noch nicht weg“ –, dann aber doch voller Elan. „Ich habe schnell gemerkt: Diese interkulturelle Arbeit ist meins.“ 22 Gemeinden anderer Muttersprache, Gottesdienste in 17 Sprachen, Katholikinnen und Katholiken aus mehr als 40 Ländern: Vielfalt, die nicht selbstverständlich ist. „Am Anfang dachte mancher: Die Gemeinden braucht es irgendwann nicht mehr, sobald alle Deutsch sprechen. Ich habe aber sehr schnell gemerkt, dass es nicht nur um Sprache geht, sondern um kulturelle Eigenart, um Riten, um Identität.“
 

Franz-Thomas Sonka (Mitte/Kreuzträger) bei der Wallfahrt der Gemeinden anderer Muttersprache im Bistum Münster in Kevelaer am 21. September 2025: Gerne war er als Referent für die Seelsorge in anderen Sprachen und Riten mitten unter den Menschen.

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Sonka setzte sich dafür ein, dass Katholiken anderer Herkunft nicht als „Gäste“ betrachtet werden. „Wenn mir jemand sagt, wir haben die ja gerne als Gäste hier, dann stellen sich mir die wenigen Haare zu Berge, die ich noch habe“, sagt er. Unter seiner Leitung entstanden Netzwerke, Wallfahrten nach Telgte und Kevelaer, und Strukturen auf Landes- und Bundesebene, etwa für afrikanische Gemeinden. Besonders wichtig war ihm, dass sich die Haltung im Bistum verändert: „Ihr seid Teil der Kirche im Bistum Münster – nicht Gäste“, betonte deshalb auch der emeritierte Bischof Felix Genn immer wieder, als er in den vergangenen Jahren alle Gemeinden gemeinsam mit ihm besuchte. 

„Plötzlich saßen mir Menschen gegenüber, die tagelang zu Fuß auf der Flucht waren."

Die Fluchtbewegungen von 2015 und der Ukraine-Krieg haben Sonkas Arbeit verändert. „Plötzlich saßen mir Menschen gegenüber, die tagelang zu Fuß auf der Flucht waren, junge Menschen, Familien mit Kindern. Das hat mich selbst sehr sensibilisiert.“ Neue Gemeinden entstanden, bestehende wuchsen. Unterstützung wurde benötigt, von der Bereitstellung von Räumen bis hin zum Personal durch Priester aus den jeweiligen Herkunftsländern. Dankbar ist Sonka dem emeritierten Weihbischof Dieter Geerlings als Bischöflicher Beauftragter dieses pastoralen Feldes für dessen langjährige Unterstützung und solidarische Begleitung seiner Anliegen.
 

Franz-Thomas Sonka (rechts) bei der Einführung von Pfarrer Frankline Anyanwu 2019 als Leiter der afrikanischen Gemeinde.

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Zu den Höhepunkten zählen für ihn die großen interkulturellen Wallfahrten: „Wir zeigen dabei, dass viele Kulturen friedlich zusammenleben können – ein Beispiel auch für die Gesellschaft, die in Teilen zur Zeit eher auf Abschottung setzt.“ Sein Leitmotiv, das ihn die Jahre über begleitet hat, stammt von dem Religionsphilosophen Martin Buber: „Alles wirkliche Leben ist Begegnung.“ Sonkas Weltbild hat sich in den Jahren verändert: „Die Kirche ist bunt und divers. Die Gesellschaft ist bunt und divers. Einheit in Vielfalt – das ist eine wichtige Herausforderung. Und das kann und muss man auch aushalten lernen.“ Er freut sich, dass sich diese Haltung auch im Leitwort des neuen Papstes Leo XIV. widerspiegelt: „In dem einen sind wir eins.“

Mit 66 Jahren verabschiedet sich Sonka nun – offiziell. „Ich gehe nicht in den Ruhestand, ich gehe raus aus der hauptberuflichen Arbeitszeit“, sagt er schmunzelnd. Er will weiter Pilgerreisen begleiten, mehr Zeit in Projekten in Brasilien und Indien verbringen und wohl auch in Münster in sozialen Projekten mithelfen. „Langeweile wird es nicht geben“, ist er überzeugt. 

Ann-Christin Ladermann