Genn wünscht sich „konstruktive Streitkultur“ in der Kirche

, Bistum Münster

„Wir können als Deutsche Bischofskonferenz nicht eine Studie wie die MHG-Studie zum sexuellen Missbrauch in unserer Kirche in Auftrag geben und dann zur Tagesordnung übergehen.“ Mit diesen Worten hat sich der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn, für eine Fortsetzung des „Synodalen Wegs“ ausgesprochen. Im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (Samstagsausgabe vom 21. September) sagt Genn, dass es notwendig sei, den „mühsamen Weg der Aufarbeitung zu gehen, der zuerst die Opfer in den Blick nimmt, aber auch kirchenimmanente Strukturen, die solche Taten ermöglicht und vertuscht haben“.

Der Bischof spricht sich für eine neue Machtverteilung in der Kirche aus. Konkret gehe es um ein neues Verhältnis von sogenannten Laien und Priestern, von Haupt- und Ehrenamtlichen, von Männern und Frauen in der katholischen Kirche. Bischof Genn: „Und da ich schon den Vorwurf höre, dass sich das leicht sagen lässt, fange ich bei mir selbst an: Ich bin bereit, Macht abzugeben und mich etwa einer kirchlichen Verwaltungsgerichtsbarkeit zu stellen, in der dann auch Laien mitentscheiden werden.“

Synodaler Weg "kein Tabubruch"

Bischof Dr. Felix Genn

Bischof Dr. Felix Genn

Auch wendet sich Bischof Genn im Gespräch mit der F.A.Z. gegen die Einschätzung, dass die Deutsche Bischofskonferenz mit dem gemeinsam mit dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) eingeschlagenen „Synodalen Weg“ ein Tabu breche. Dagegen betont der Bischof von Münster: „Eine theologische Vertiefung hat noch niemandem geschadet, insbesondere nicht der Kirche. Ich bin dankbar für jede Frau und jeden Mann, die und der sich gerade in der schwierigen Situation unserer Kirche einbringt und mit überlegt, wie es gelingen kann, dass wir als Kirche, als Volk Gottes, die Menschen von der Frohen Botschaft Jesu Christi begeistern können.“ Ein synodaler Weg könne nur im Hinhören entstehen, aufeinander und auf den Geist Gottes. Bischof Genn: „Es ist eine alte christliche Tugend, zuerst die Meinung des anderen zu retten. Was sind seine Ängste, was seine Befürchtungen, was die Hoffnung? Was kommt aus der menschlichen Sehnsucht, was aus den Tiefen Gottes? Mir scheint aber, dass viele für sich die Ex-cathedra-Position beanspruchen und andere Meinungen ausschließen: Diese Versuchung findet sich in jedem von uns.“

Es gebe in der katholischen Kirche in Deutschland eine sehr große Einigkeit über den eingeschlagenen Weg, unterstreicht der Bischof. Natürlich gebe es auch manche, die nicht alles richtig fänden. „Das ist aber doch keine Spaltung“, betont Genn und fährt fort: „Sollten wir als Kirche gerade in Zeiten einer Verrohung des politischen und gesellschaftlichen Diskurses durch Populisten nicht auch bemüht sein, zu zeigen, dass man zwar hart in der Sache, aber dennoch gut und konstruktiv im Umgang miteinander um den richtigen Weg ringen kann? Die katholische Kirche als Vorbild einer konstruktiven Streitkultur: Das wäre doch einmal was!“

Weiter unterstreicht der Bischof von Münster im Interview mit der F.A.Z., dass diejenigen, die die Botschaft Jesu Christi verkünden, glaubwürdige und authentische Zeuginnen und Zeugen dieser Frohen Botschaft sein müssten, denn der Glaube komme immer auf zwei Beinen. Bischof Genn: „Und es ist doch genau diese Glaubwürdigkeit, die wir als Kirche, gerade auch wir als Verantwortungsträger, verloren haben. Ich kann mit Menschen nicht glaubhaft über Gottes Liebe und Gerechtigkeit sprechen, wenn sie in mir vor allem den Vertreter eines Systems sehen, das sexuellen Missbrauch gedeckt hat.“

Stephan Kronenburg