Gier macht den Menschen kaputt

Gier bestimmt viel zu sehr unser Leben, sagte der Benediktinerpater Dr. Anselm Grün gestern vor fast 1.000 Menschen in der St. Vitus Kirche.

Eingeladen zu dem Vortrag hatte ihn das Löninger Sozialforum, hinter dem die Ortsverbände des Kolpingwerkes, der Katholischen Arbeitnehmerbewegung (KAB) und der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschlands stehen.Im Rahmen der Bewegung Wandelherz versuchen sie und andere katholische Verbände im Oldenburger Land, die Herzen der Menschen zu wandeln: Weg von Geiz, Habsucht und Rücksichtslosigkeit hin zu Gerechtigkeit, Maß und Rücksichtnahme.

Es gebe viele Formen der Gier, sagte Pfarrer Berthold Kerkhoff in seiner Begrüßung. Gierige Menschen seien ständig von der Angst getrieben, etwas zu verpassen. "Gierig bin ich, wenn ich etwas absahne, ohne es zu brauchen." Das spiegle sich in vielen kleinen Alltagssituationen wider. "Wir als Christen sind da gefordert, unsere Stimme zu erheben."
Habgier, Raffgier, Profitgier, sexuelle Gier, Neugier und Kommunikationsgier – der 71-jährige Anselm Grün, Pater der unterfränkischen Benediktinerabtei Münsterschwarzach und bundesweit als Lebensberater und Managertrainer unterwegs, ist allen Formen begegnet. Das Wissen um negative Auswirkungen der Gier sei nicht neu, sagte er. Schon im Alten und Neuen Testament werde vor der Gier gewarnt, im Buddhismus gelte Gier als die Wurzel allen Übels. Und auch die alten Griechen hätten gewusst, dass Gier die Gemeinschaft zerstöre.

Der gierige Mensch sei unfähig zu genießen und habe keine Beziehung zu seinem Körper, sagten Psychologen. Der Gierige verliert die Beziehung zu sich selber, warnte auch Grün. Gierige Menschen suchten nach Grandiosität, ein Zug, der fast schon autistische Züge hab. Gierige Menschen meinten, nur durch noch mehr Haben lebendig zu werden. "Doch das Haben verstellt das eigene Sein und so spürt der Gierige sich selber nicht und kann das Leben nicht genießen", warnte er. Macht könne etwas positives sein, doch Machtgier sei negativ. Solche Menschen würden unsensibel und müssten andere klein oder lächerlich machen. Der Gierige spüre sich selber nicht. Doch nur, wer mitfühlen könne, fühlt sich eins. Gierige Menschen kommen nie Ruhe, sie finden nicht ihre Mitte und gehen über Leichen, weil sie kein Gespür für andere Menschen haben, hat es Grün erlebt. Und dabei sei es gut und wichtig, zur Ruhe zu kommen. Nicht jede Situation müsse "etwas bringen", man müsse nicht aus jeder Situation einen Vorteil ziehen wollen, erst recht nicht gegenüber Freunden. Er kenne Menschen, die gierig seien, damit sie ihren Kindern viel vererben können, erzählte Grün. Doch etwas mit kalten Händen, d.h. als Erbe, zu geben, schaffe oft Zwietracht unter den Erben. Besser, man gebe etwas mit warmen Händen. Das schaffe Beziehung.

Um der Gier begegnen zu können, müsse man sie sich erst einmal eingestehen und dann verwandeln in Dankbarkeit, z.B. für ein gutes Gespräch, für die Gesundheit oder die Natur. Man könne sie auch verwandeln in Lebensfreude, in Gelassenheit, Solidarität und Mitgefühl mit anderen Menschen. Und Gierige müssten sich fragen, ob es sie wirklich glücklich mache, wenn sie alles hätten, was sie haben wollten. Gierige sollten sich fragen, wo das Leben fließe. Und das erlebe man nicht durch einen großen Besitz, sondern durch das Menschsein, betonte Grün.

Text: Bischöflich Münstersches Offizialat/06.11.16
Kontakt: Ludger.Heuer[at]bmo-vechta.de
Foto: Ludger Heuer/Bischöflich Münstersches Offizialat