Gott hat zum Tanz eingeladen
Sie war eine katholische Sozialarbeiterin, Schriftstellerin und "Mystikerin der Straße" im Frankreich der 20-er bis 60-er-Jahre. Was die 1964 verstorbene Madeleine Delbrêl, deren Seligsprechungsprozess läuft, Seelsorgern heute vermitteln kann, damit beschäftigte sich Ende Juni in Münster eine zweitägige Fortbildung des Bistums für Priester, Diakone sowie Pastoralreferentinnen und –referenten.
Referentin Dr. Annette Schleinzer und Mitveranstalter Pfarrer Dr. Leo Wittenbecher sind jedenfalls überzeugt: "Die Spiritualität von Madeleine Delbrêl zeigt, wie man auch heute aus der Kraft des Evangeliums heraus Kirche und Welt gestalten kann."
Diese Aktualität erklärt Wittenbecher, Referent für die Krankenhausseelsorger im Bischöflichen Generalvikariat, so: "Madeleine Delbrêl wollte den Glauben auch da leben, wo Glaube und Kirche keine Rolle mehr spielen." Dabei habe sie keine Berührungsängste gehabt. Sie habe sich für Arbeiter engagiert und sich bewusst für ein Leben in einem vom Kommunismus geprägten Umfeld in einem Pariser Vorort entschieden.
Wittenbecher hat schon vor zwei Jahren erstmals an dem Konzept der Fortbildung gearbeitet. "Wir wollen von der Spiritualität Madeleine Delbrêls inspiriert zum Perspektivwechsel ermutigen", begründet er, "die Teilnehmer sollen die Möglichkeit erhalten, aus dem alltäglichen Getriebe einen Schritt rauszutreten und zu fragen, was heute Ziel von Pastoral sein könnte." Ausgangspunkt sei Delbrêls provozierender Satz "Gott hat uns zum Tanz eingeladen und wir haben eine Turnübung daraus gemacht" gewesen. Denn wer mit weniger Personal immer mehr Angebot und Aktionen machen wolle, dann aber letztlich in immer leerer werdenden Gottesdiensten stehe, bei dem könne sich leicht Frust breit machen. "Bei der Verkündigung soll es nicht in erster Linie darum gehen, Menschen zu rekrutieren, sondern Heilserfahrungen zu ermöglichen", verdeutlicht Wittenbecher.
Genau dabei könne Madeleine Delbrêls Spiritualität helfen, bestätigt Annette Schleinzer. Mit der Theologin, Ordinariatsrätin im Bistum Magdeburg, hatte Wittenbecher genau die richtige Fachfrau als Referentin gewonnen. Sie beschäftigt sich seit Jahrzehnten intensiv mit der Spiritualität der Französin und ist überzeugt: "Diese kann Christen anregen, zu hinterfragen, was ihren Glauben ausmacht und warum Kirche mehr ist als ein Verein."
Zentral sei für Delbrêl die "absichtslose Präsenz derer, die glauben" gewesen. "Alles kann zum Anlass werden, mit Gott in Beziehung zu treten", erklärt Schleinzer, "unsere Aufgabe ist, Gott durch unsere Augen präsent werden zu lassen, ihm einen Ort in unserer Umgebung zu sichern." Genau wie die katholische Kirche im Bistum heute, habe Madeleine Delbrêl in einer zunehmend unchristlicher werdenden Gesellschaft gelebt. "Die Zukunft der Kirche hat sie in kleinen Zellen gesehen, ausgehend von der Erkenntnis, dass alle Getauften und Gefirmten die Kirche sind und Kirche nicht nur da ist, wo ein Priester ist", sagt Schleinzer. Delbrêl habe sich jedem zuwenden wollen, ohne anderes Ziel, als Gottes Liebe weiterzugeben. "Jeder Mensch hat Sehnsucht, ohne konkrete Absicht angesehen zu werden, das rührt auch in den Herzen von Nicht-Gläubigen etwas an", ist Schleinzer überzeugt.
Um die 16 Teilnehmenden des Seminars dazu zu befähigen, setzten diese sich mit der Lebensgeschichte der Französin auseinander, lasen ihre Gedichte und erprobten in den Straßen Münsters, wie diese Perspektive den Blick auf die Welt ändert. Für sie ergaben sich durchaus wertvolle Anregungen, wie Anne Bußmann, Pastoralreferentin der Münsteraner Pfarrei Liebfrauen-Überwasser, berichtet.
"Aus meiner Praxis in der Kommunionkatechese entdecke ich, dass auch hier die Haltung der Absichtslosigkeit Früchte trägt", sagt sie. So habe eine Kommunionkatechetin ihr gedankt, "dass du uns zugehört hast und mit uns auf der Suche bist. Manche Fragen müssen vielleicht auch offen bleiben und dürfen nicht zu schnell eine Antwort finden."
Bildunterschrift: In das Heute übertrugen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer mit Dr. Annette Schleinzer (Zweite von rechts) und Dr. Leo Wittenbecher (Mitte) Madeleine Delbrêls Spiritualität.
Text: Bischöfliche Pressestelle
Kontakt: Pressestelle[at]bistum-muenster.de
Foto: Anke Lucht / Bischöfliche Pressestelle