Interreligiöser Dialog gibt Hoffnung

, Bistum Münster

„Dieses Land ist europäisierbar.“ Davon ist Christian Schmidt, Hoher Repräsentant von Bosnien-Herzegowina überzeugt. Die Bedeutung von Grenzen müsse heruntergefahren, die Erfahrung von Gemeinsamkeiten herausgearbeitet werden, erklärte der Politiker mit Blick auf die angespannte Situation im Land. Schmidt traf am 12. Oktober auf Vertreterinnen und Vertreter des katholischen Osteuropa-Hilfswerks Renovabis und des Bistums Münster in der Hauptstadt Sarajevo. Die Delegation hält sich derzeit in Bosnien-Herzegowina auf, um die Eröffnung der Renovabis-Aktion im Mai 2024 vorzubereiten. Die Pfingstaktion steht unter dem Motto „Damit Frieden wächst – Du machst den Unterschied“. 

Christian Schmidt, Hoher Repräsentant von Bosnien-Herzegowina

© Bistum Münster

Zu Beginn des Austausches gab der Hohe Repräsentant einen Einblick in die Geschichte und die komplexe politische Situation des Landes, in dem es im politischen Alltag immer wieder spürbare politische Spannungen zwischen den ethnisch orientierten Parteien, den (muslimischen) Bosniaken, den (katholischen) Kroaten und den (orthodoxen) Serben, gibt. Zahlreiche Entscheidungen in dem Land, das aus zwei Entitäten besteht – der Föderation Bosnien und Herzegowina (mehrheitlich von muslimischen Bosniaken und bosnischen Kroaten bevölkert) und der Republika Srpska (mehrheitlich von bosnischen Serben bevölkert) – können nur mit Zustimmung der drei Hauptvolksgruppen gefällt werden. Ein kompliziertes Staatsgebilde, das das Land lähme.

„Versöhnung, was die Grundlage für den gemeinsamen Aufbau einer Gesellschaft ist, ist in diesem Land noch nicht gegeben“, sagte Schmidt, der in seiner Funktion als Hoher Repräsentant über die Einhaltung des Daytoner Friedensabkommens wacht, das 1995 den Krieg beendete. Hoffnung für die Nachkriegs- und Transformationsgesellschaft sieht der Politiker, der 31 Jahre Mitglied im Deutschen Bundestag war, im interreligiösen Dialog und in der Integration in die Europäische Union. Seit Dezember vergangenen Jahres gilt Bosnien-Herzegowina offiziell als Beitrittskandidat. „Das ist der Schlüssel für eine nachhaltige Stabilisierung der Region“, ist sich Schmidt mit Blick auf die Probleme des Landes, das unter anderem wie viele Länder Südosteuropas unter einer hohen Abwanderung leidet, sicher. Doch er warnte auch vor zu hohen Erwartungen: „Es wird nicht mit einem Mal die Erweckung der Zivilgesellschaft stattfinden, es ist eine ständige Balance zwischen den gegebenen Strukturen und den gewünschten Transformationen.“ 

An dem Gespräch nahmen auch Renovabis-Geschäftsführer Dr. Markus Ingenlath (links) und Renovabis-Referent für Referent für Partnerschaften und Dialog, Thomas Müller-Boehr, teil.

Der Hohe Repräsentant versicherte, weiter Reformen anzugehen, um den Menschen eine Perspektive und ein besseres Leben zu ermöglichen. „Wir brauchen eine Zwei-Bahn-Straße und müssen dafür arbeiten, dass die jungen Menschen zurückkommen und zum Beispiel mit Start-Ups in die Zukunft investieren“, nannte er eine Aufgabe und fügte hinzu: „Nur so können neue Ideen wachsen, die dem Land weiter Hoffnung geben.“ 

Die Vertreterinnen und Vertreter von Renovabis und dem Bistum Münster ermutigte Schmidt, sich weiter für die junge Generation in Bosnien-Herzegowina einzusetzen. „Unterstützen Sie junge Initiativen in der Gemeinschaftsbildung, versuchen Sie weiter Religionen zusammenzuführen“, appellierte er an den Besuch. Ein weiterer Schritt sei der professionelle Umgang mit Menschen, die eine posttraumatische Belastungsstörung erlitten haben. „Diese Menschen brauchen unsere Hilfe“, betonte Schmidt. Seit 1995 hat Renovabis mehr als 45 Millionen Euro für vielfältige Projekte – meist kirchlicher Partner – zur Förderung von Frieden und Versöhnung in Bosnien-Herzegowina bewilligt. 

Ann-Christin Ladermann

Im Konferenzraum des „Office of the High Representative“ (OHR) traf sich die Gruppe mit Christian Schmidt, der von der diplomatischen Referentin Neira Ramic und dem Leiter des Kabinetts, Klaus Brust, begleitet wurde.

© Bistum Münster/Ann-Christin Ladermann