Interreligiöser Dialog stärkt Gesellschaft und Demokratie in Nordrhein-Westfalen

, Bistum Münster

Wie wichtig und wertvoll das Gespräch zwischen den Religionsgemeinschaften und der Gesellschaft gerade angesichts wachsender Konfrontationen ist, haben Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Kirchen und weiteren Glaubensgemeinschaften am Dienstag, 28. Oktober, bei der Diskussion „Mehr Dialog wagen“ im nordrhein-westfälischen Landtag deutlich gemacht.

Diskutierten über den aktuellen Stand des interreligiösen Dialogs: (von links) Moderator Johannes Sabel mit Abraham Lehrer (Zentralrat der Juden in Deutschland), Minister Nathanael Liminski, Theologie-Professorin Anja Middelbeck-Varwick, Birgül Karaarslan (Verband muslimischer Lehrkräfte), Jochen Ott (MdL, Vorsitzender SPD-Fraktion).

© Bistum Essen / Nicole Cronauge

„Besonders in einer Zeit, in der Polarisierung, Antisemitismus und religiös motivierte Ausgrenzung weiter zunehmen, brauchen wir diesen Dialog“, betonte Landtagspräsident André Kuper, der gemeinsam mit den katholischen Bistümern in NRW zu diesem Austausch eingeladen hatte. „Es geht darum, Brücken zu bauen zwischen den Glaubensgemeinschaften, zwischen Politik und Religion für die Menschen in unserem Land. Wer den Dialog sucht, stärkt unsere Demokratie und damit auch das friedliche Zusammenleben in Nordrhein-Westfalen“, so Kuper. 

Nordrhein-Westfalen sei durch eine kulturelle und religiöse Vielfalt geprägt, betonte Domkapitular Antonius Hamers, Direktor des katholischen Büros NRW. „Auch in einer zunehmend säkularen Gesellschaft sind religiöse Menschen eine Bereicherung, wenn sie mit anderen Menschen im Dialog sind – mit Menschen anderer Religionen und mit areligiösen Menschen.“ 

Dies hob auch die katholische Theologie-Professorin Anja Middelbeck-Varwick in ihrem Impulsvortrag hervor: „Interreligiöse Bündnisse und Dialoge sind heute wichtiger denn je. Sie stärken den gesellschaftlichen Zusammenhalt und unsere Demokratie.“ Dies gelte insbesondere für die Kommunen, „wo sich Religionsgemeinschaften inzwischen vielfach gemeinsam in konkreten sozialen Projekten engagieren.“ 

In der anschließenden Podiumsdiskussion zum aktuellen Stand des Dialogs zwischen Religionen und Gesellschaft mit Middelbeck-Varwick, dem Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Abraham Lehrer, dem SPD-Landtags-Fraktionsvorsitzenden Jochen Ott und der Vorsitzenden des Verbands muslimischer Lehrkräfte, Birgül Karaarslan, unterstrich der Minister und Chef der NRW-Staatskanzlei, Nathanael Liminski, dass dem interreligiösen Dialog gerade in Zeiten der Polarisierung eine besondere Bedeutung zukomme. Dabei könne es in der persönlichen Begegnung am besten gelingen, „Vorurteile abzubauen, Gemeinsamkeiten im Glauben zu entdecken und Vertrauen aufzubauen – gerade auch im Austausch zu kritischen Fragen“, so Liminski. Dieser Dialog sei in erster Linie Aufgabe der Religionsgemeinschaften, sollte aber ebenso von der Breite der Gesellschaft getragen und im Alltag gelebt werden. „Das ist eine wichtige Voraussetzung für eine gesunde demokratische Streitkultur.“ 

Abraham Lehrer bezeichnete das miteinander Sprechen als eine basale und zugleich sehr wichtige Grundform des interreligiösen Dialogs, den das Vorstandsmitglied der Kölner Synagogen-Gemeinde für „hochrelevant“ hält. Lehrer verwies auf verschiedene Projekte der Religionsgemeinschaften, etwa das gemeinsam von der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen, dem Zentralrat der Juden und dem Koordinationsrat der Muslime getragene Angebot „Weißt du, wer ich bin?“. Die Initiative berät, unterstützt und fördert interreligiöse Projekte, aktuell mit einem Förderschwerpunkt auf den Themen Antisemitismus, antimuslimischer Rassismus und Religionsfeindlichkeit. Als weiteres Beispiel für eine gelingende interreligiöse Perspektive nannte Lehrer die Denkfabrik „Schalom Aleikum“, die als Einrichtung des Zentralrats der Juden soziopolitisch relevante Themen aus jüdischer, muslimischer und christlicher Perspektive erforscht und vermittelt. 

Birgül Karaarslan, Gymnasiallehrerin für Englisch, Deutsch, Türkisch und Islamischen Religionsunterricht in den Sekundarstufen I und II, berichtete aus ihrer Praxis: „Als muslimische Lehrkräfte erleben wir täglich, wie bereichernd der Austausch über Werte, Traditionen und gemeinsame ethische Grundlagen sein kann – gerade in einer Zeit, in der Polarisierung und Misstrauen zunehmen.“ Wenn junge Menschen lernen, Unterschiede respektvoll zu verstehen und Gemeinsamkeiten zu erkennen, wachse die Grundlage für ein friedliches, solidarisches Miteinander. Der interreligiöse Dialog sei daher nicht nur eine Aufgabe für religiöse Gemeinschaften, sondern ein wesentlicher Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt, so Karaarslan. 

Der SPD-Bildungspolitiker Ott verwies auf weltweite Krisen und Konflikte, die „tief in unsere Gesellschaft hineinwirken. Sie werden in unsere Stadtgesellschaften hineingetragen, ausgetragen, oft instrumentalisiert.“ Umso wichtiger sei es, dass die Politik auf die Achtung des Grundgesetzes bestehe. „Die demokratischen Parteien müssen mit klarer Haltung und Besonnenheit den Frieden in unseren Stadtteilen bewahren helfen. Das erwarten wir auch von allen – wirklich allen! – Religionsgemeinschaften“, betonte Ott. 

Text: Bistum Essen / Thomas Rünker