Jannis Fughe: Die Kunst, Grenzen zu wahren

, Bistum Münster

Themen gibt es viele, Meinungen noch mehr. Nicht immer werden sie sachlich vorgebracht und ausgetauscht. Und viel zu oft bestimmen Empörung, Negativität, Ich-Bezogenheit und gegenseitige Attacken die Diskussionen. „Die Montagsmeinung“, das Meinungsformat des Bistums Münster, soll hier ein anderes Zeichen setzen. Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Kirche, die sich dem Bistum verbunden fühlen, setzen sich darin mit Themen auseinander, die für sie und andere relevant und aktuell sind. Die Autorinnen und Autoren lassen es aber nicht bei Klagen und Kritik. Sie haben vielmehr konstruktive Ideen und Lösungsansätze. Diese teilen sie alle 14 Tage montags an dieser Stelle mit uns.

Neben den Grenzen zwischen Staaten, über die viel diskutiert wird, gibt es persönliche Grenzen. Auch und gerade sie verdienen Beachtung, erklärt Jannis Fughe in der heutigen Montagsmeinung. Er ist Bundesvorsitzender der Katholischen Landjugendbewegung Deutschland (KLJB) und stammt gebürtig aus Mühlen im niedersächsischen Teil des Bistums Münster.

Jannis Fughe

© KLJB Deutschland

In der heutigen Leistungsgesellschaft gilt Überlastung oft als Ideal: Wer die meisten Überstunden macht, die längsten Bürozeiten hat oder mit dem wenigsten Schlaf auskommt, gilt häufig als besonders leistungsfähig. Prall gefüllte To‑Do-Listen, enge Deadlines, ständige Erreichbarkeit und durchgearbeitete Abende prägen den Alltag vieler Menschen. E-Mails beantworten, Meetings abarbeiten, Protokolle fertigstellen. Alles getaktet auf maximale Effizienz. Selbst in der Mittagspause bleibt die Arbeit oft präsent, und Gespräche mit Kolleg*innen drehen sich immer wieder um laufende Projekte und anstehende Aufgaben, echte Pausen bleiben da schnell auf der Strecke.

Und die möglichst effiziente Nutzung jeder Sekunde beschränkt sich nicht auf den Arbeitsplatz. Auch die Freizeit soll optimiert sein: Sprachen lernen, Fitnessstudio, Online-Kurse besuchen. Alles, um Fähigkeiten auszubauen, den Lebenslauf zu verbessern oder immer „up-to-date“ zu bleiben. Natürlich kann es bereichernd und erfüllend sein, Neues zu lernen und sich weiterzuentwickeln. Problematisch wird es nur, wenn daraus Pflicht und Druck entstehen und selbst die Freizeit zur Dauerleistung wird, die immer dem Aspekt der Nützlichkeit dienen muss. Mit Erholung hat es wenig zu tun, wenn die Freizeit den Stress noch erhöht.

Eine solche Situation kann dazu beitragen, die eigenen Grenzen aus dem Auge zu verlieren: Erschöpfung wird ignoriert, Warnsignale des Körpers werden ausgeblendet. Wer krank ist, schleppt sich trotzdem zur Arbeit. Überlastung wird so zum Idealbild. 

Hat sich da nicht etwas verschoben? Grenzen zu achten, darf kein Zeichen von Schwäche sein, sondern ist notwendig, um sich selbst ernst zu nehmen und die eigenen Bedürfnisse zu respektieren. Natürlich hat jeder Mensch mal besonders belastende Zeiten, in denen er über die eigenen Grenzen geht. Gefährlich wird es aber, wenn das zur Regel wird, wenn Dauerstress und Erschöpfung normalisiert oder gar idealisiert werden. Wer ständig müde, gestresst und überlastet ist, mag körperlich anwesend sein, schwächt aber seine Kapazitäten – für Kreativität, Motivation und echte Leistungsfähigkeit.

Auch Tätigkeiten, die auf den ersten Blick nicht effizient oder „produktiv“ sind, sind wertvoll. Pausen, Zeit mit anderen, die keinem äußeren Zweck dienen muss, oder auch mal das bewusste Nichtstun – all das schont Energie, füllt den inneren Akku auf und ermöglicht, dass Arbeit und Alltag später besser gelingen. Selbstfürsorge ist kein Luxus, sondern Voraussetzung, um klar, motiviert und engagiert handeln zu können.

Es geht nicht darum, aufzuhören, Leistung zu bringen, sondern darum, wie man es tut: bewusst, mit Pausen, ohne sich selbst aufzubrauchen. Wer das schafft, arbeitet nicht nur effektiver, sondern merkt auch wieder, dass Leben mehr ist als Termine und To‑do-Listen.

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