Jazz trifft Liturgie

, Stadtdekanat Münster

Wenn Jazz und Kirche zusammentreffen, entsteht etwas Ungewöhnliches: Improvisierte Klänge füllen den Kirchraum, Worte und Musik treten in einen Dialog. Was zunächst mit einzelnen Abenden begann, hat sich inzwischen zu einer eigenen Marke entwickelt – der Jazzkirche Münster.

Jürgen Wiltink (am Klavier) und Sängerin Aline Klieber beim „Wort und Jazz“ am 20. September.

© Bistum Münster

Die Idee entstand 2021, mitten in der Corona-Zeit. Jürgen Wiltink, katholischer Seelsorger am Universitätsklinikum Münster und zugleich Pianist mit Jazz-Leidenschaft, wagte einen Versuch: ein Abendgebet mit Elementen des anglikanischen Evensongs, aber musikalisch gestaltet mit Jazz. Der Name dafür: „EvenJazz“. „Mir war wichtig, dass die Musiker nicht einfach nur eine Bühne haben, sondern auch selbst spirituell interessiert sind“, erzählt Wiltink.
Die ersten Abende fanden noch unter Pandemiebedingungen in der Überwasserkirche statt. Schon bald zeigte sich, dass das Format berührt. Psalmen, Gebete, bekannte liturgische Elemente – und dazwischen Jazzstücke, improvisiert und offen, mal tröstlich, mal herausfordernd. „Jazz lebt von Improvisation“, sagt Wiltink. „Das hat für mich viel mit dem Heiligen Geist zu tun: Neues entsteht, Unvorhersehbares bekommt Raum.“

Inzwischen baut die Jazzkirche auf zwei Säulen. Neben dem Abendgebet „EvenJazz“ gibt es seit 2025 das Format „Wort und Jazz“. Dabei steht ein konkretes Thema im Mittelpunkt – verknüpft mit einer biblischen Stelle und begleitet von Jazzmusik. So wird das Gehörte musikalisch weitergedacht, verarbeitet, vertieft. Ob Bundestagswahl, Weltkindertag oder Fragen nach Hoffnung und Frieden – „Wort und Jazz“ schlägt Brücken zwischen der Bibel, dem aktuellen Weltgeschehen und dem Klang. 

Jazzkirche als geistliches Dach

Auch die Orte sind vielfältig: Überwasserkirche, Erlöserkirche, Epiphaniaskirche oder auch die Margaretakirche (vorübergehend für die Nutzung gesperrt). Die Jazzkirche ist nicht an ein einziges Gebäude gebunden, sondern versteht sich als geistliches Dach über verschiedene Räume der Stadt.

Tatsächlich sind es oft die stillen, unerwarteten Momente, die die Jazzkirche prägen. Wiltink erinnert sich an einen Abend mit nur zwölf Teilnehmenden. „Wir fragten uns: Lohnt sich der Aufwand?“, erzählt er. Doch am nächsten Tag schrieb ein Besucher eine bewegende Mail: Er und seine Frau hatten gerade erfahren, dass ihr ungeborenes Kind gestorben war. Zufällig sei er in die Kirche gekommen, habe das Stück „Little Blue“ gehört – ein Lied, das weltweit viele Eltern mit dem Verlust eines Kindes verbinden. „Das kann kein Zufall sein“, schrieb er. Für Wiltink war klar: Genau dafür lohnt sich die Jazzkirche.

Jazz ist für den Seelsorger und Musiker mehr als ein Musikstil. Er ist Ausdruck von Spiritualität. „Improvisation bedeutet, offen zu sein für den Moment, für das, was entsteht“, sagt er. „Das ist für mich ein Bild für den Heiligen Geist: die kreative Kraft Gottes, die uns immer wieder Neues schenken kann.“

Musik tröstet, beruhigt und ersetzt Worte

Auch aus der Seelsorge am UKM kennt er die Kraft der Musik. Dort spielt er regelmäßig improvisierte Klavierstücke für Patientinnen und Patienten, Angehörige und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter – Musik, die tröstet, beruhigt, Worte ersetzt. „Manchmal kommen Menschen mit Tränen in den Augen, weil sie sich so berührt fühlen.“

Das Team hinter der Jazzkirche ist breit aufgestellt: Musikerinnen und Musiker, sowie Kirchenmusikerinnen und Kirchenmusiker, Theologinnen und Theologen aus Münster, Dortmund, Berlin, Rheinberg und Osnabrück sind beteiligt.

Die Jazzkirche versteht sich dabei als ökumenisches Projekt, offen für alle Interessierten. Ob man viel mit Kirche verbindet oder neugierig auf Jazz im Kirchraum ist – willkommen sind alle. „Es geht uns darum, einen Raum zu eröffnen, in dem Menschen aufatmen und neue Kraft schöpfen können“, sagt Wiltink.

Termine im 2. Halbjahr 2025

  • 17. Oktober, 18 Uhr, Erlöserkirche: „EvenJazz“, Leitung: Jürgen Wiltink, Musikalische Begleitung: Daniel Masuch (Klavier) und Julie Klos (Gesang)
  • 8. November, 11 Uhr, Überwasserkirche: „Wort und Jazz“: Hoffnung angesichts Dunkelheit-November, Wort: Prof. Michael Höffner, Jazz: Benjamin Pfordt (Klavier/Orgel)
  • 12. Dezember, 18 Uhr, Erlöserkirche: „EvenJazz“

Ann-Christin Laderman