Juristentreffen lockte 300 Rechtskundler nach Münster
Zwar sollen Elternrecht und staatlicher Bildungs- und Erziehungsauftrag zu einem "schonenden Ausgleich" gebracht werden; dies erfolgt in jüngerer Zeit aber häufig auf Kosten des natürlichen Rechts der Eltern auf die Pflege und Erziehung der Kinder.
Das hat Prof. Dr. Franz Reimer, Professor für Öffentliches Recht und Rechtstheorie an der Universität Gießen, am 30. September in Münster betont. Reimer sprach vor rund 300 Rechtsanwälten, Richtern, Notaren, Justiziaren und Juraprofessoren aus der ganzen Diözese, die in der Akademie Franz-Hitze-Haus zum Juristentreffen im Bistum Münster zusammenkamen. Das Treffen stand unter dem Thema "Elternrecht versus Integrationsauftrag der Schule? – Schule im Spannungsfeld zwischen staatlichem Bildungs- und Erziehungsauftrag und den Grundrechten der Eltern."
Zu Beginn begrüßte der Bischof von Münster, Dr. Felix Genn, die Juristen. Der Bischof sagte, dass Kirche über die katholischen Schulen die Möglichkeit habe, "junge Menschen mit unserer Grundbotschaft zu erreichen." Schule habe nicht nur einen Bildungs- und Erziehungsauftrag, sondern zunehmend werde ihr auch eine gesellschaftliche Integrationsaufgabe zugeschrieben. Das gelte etwa im Blick auf Kinder mit Migrationshintergrund, auf Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf oder aktuell auf die Flüchtlingskinder. Die Erwartungen, so betonte Bischof Genn, an die Schule seien dabei sehr hoch.
Hierauf ging auch Prof. Reimer ein. Er stellte dar, wie die jüngste Rechtsprechung das im Grundgesetz garantierte "natürliche Recht der Eltern" auf "Pflege und Erziehung der Kinder" gegenüber dem auch im Grundgesetz festgeschriebenen staatlichen Bildungs- und Erziehungsauftrag zurückgedrängt habe. Dabei werde in der Rechtsprechung auch Integration als Aufgabe von Schule verstanden, da diese für die Gesellschaft unerlässlich sei.
Schule, so erläuterte Reimer, solle nach den Vorstellungen etwa des Bundeverwaltungsgerichtes, auch die Integration von Schülerinnen und Schülern in einen bestimmten Wertehorizont gewährleisten; Schüler sollten zu Toleranz und Dialogfähigkeit erzogen werden, Minderheiten sollten integriert werden, das Entstehen von religiös oder weltanschaulich motivierten Parallelgesellschaften sollte durch die Schule verhindert werden. Schule erhalte so sehr stark eine auch gemeinschaftsstiftende Aufgabe gegenüber der etwa Glaubensfreiheit oder die eigenen religiösen Vorstellungen nur eine sehr geringe Relevanz hätten. Reimer sprach in diesem Zusammenhang von einer "Überfrachtung für die Schule" sowie von einer "Kollektivierungstendenz" in der Rechtsprechung, die zugleich Züge einer "Moralisierungstendenz" trage.
Minderheiten, so sagte er, dürften sich nach diesem Rechtsverständnis nicht selbst abgrenzen, müssten sich vielmehr der Mehrheitsgesellschaft würdig erweisen, sich "assimilieren". Das führe ganz praktisch dazu, dass es etwa nur in sehr gravierenden Fällen und wenn es strikte religiöse Vorschriften für ein bestimmtes Verhalten gebe, zu einer Befreiung von einzelnen Unterrichtseinheiten kommen könne. Reimer kritisierte einen solchen "moralischen Überschuss" in der Rechtsprechung als "bedenklich", werde er doch der Trennung von Recht und Moral nicht gerecht und gefährde die Freiheit, wie sie das Grundgesetz garantiere.
Inhaltlich vorbereitet und organisiert wurde das Juristentreffen von Pfarrer Dr. Ludger Winner, dem Akademikerseelsorger des Bistums Münster.
Text: Bischöfliche Pressestelle
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