
Nach fast 36 Dienstjahren im Bischöflichen Generalvikariat – der Verwaltung des Bistums Münster – davon die meisten als Leiterin der Abteilung Kirchenrecht, geht Reinhild Ahlers zum 1. Juli in den Ruhestand.
© Bischöfliche Pressestelle/Anke LuchtZu diesem kam die gebürtige Meppenerin nach dem Theologiestudium in Eichstätt und Innsbruck. Im Anschluss hatte sie eine Stelle als Pastoralreferentin in ihrem Heimatbistum Osnabrück in Aussicht, war aber zuvor „aus nostalgischen Gründen“ noch einmal zu einer Vorlesung bei einem Kirchenrechtler in Eichstätt zu Gast. Dieser bot ihr eine Stelle als seine Assistentin an und äußerte die Erwartung, dass sie promovieren werde.
Genau das tat Reinhild Ahlers und blieb beim Kirchenrecht: „Dabei ging es mir nicht nur um die Paragrafen, sondern vor allem um die Frage, wozu man sie braucht.“ Maßgeblich dafür sei eine Aussage des Zweiten Vatikanischen Konzils über die Kirche als geistliche Größe, die eine konkrete Ausdrucksform benötigt. „Dafür braucht man rechtliche Regelungen, ohne die eine Gemeinschaft nicht auskommt, was aber nicht heißt, dass man Regelungen nicht hinterfragen kann“, sagt die 66-Jährige.
Nach ihrer Promotion wechselte sie im Dezember 1989 in die Abteilung Kirchenrecht des Bistums Münster. Ab 1992 absolvierte sie berufsbegleitend den zweijährigen Studiengang „Lizenziat im kanonischen Recht“. 1993 übernahm die Münsteranerin die Abteilungsleitung. 1996 folgte die Ernennung zur Professorin an der Philosophisch-Theologischen Hochschule Münster (PTH Münster), wo sie – ebenso wie an der Universität Münster – einen Lehrauftrag innehatte. Seither hat sie viele Entwicklungen miterlebt, begleitet und umgesetzt. „Am umfangreichsten war die Überarbeitung des Strafrechts“, erinnert sie sich an eine der Konsequenzen aus den Missbrauchsskandalen in der katholischen Kirche.
Ebenso habe sich der Personenkreis der Kirchenrechtlerinnen und -rechtler in den deutschen Bistümern gewandelt: „Als ich anfing, waren das fast ausschließlich Priester. Heute sind diese die Ausnahme.“ Auch seien die heutigen Fachleute im Schnitt jünger.
In Ahlers‘ ersten Jahren in Münster musste sich jedoch nicht nur mancher Priester an die weibliche Abteilungsleitung gewöhnen. „Einmal bat ein Anrufer, mit einem der Herren sprechen zu dürfen. Da musste ich ihm sagen, dass es in unserer Abteilung keine Herren gab“, sagt sie lächelnd und ergänzt: „Das war aber in aller Regel kein Problem, sondern ein Gewöhnungsprozess.“ Heute noch arbeiten in der Abteilung nur Frauen – mit Erfolg. „Ich denke, dass wir den Ruf haben, zuverlässig tragfähige Auskünfte zu geben“, sagt die scheidende Abteilungsleiterin.
Auch persönlich habe sie ihr Arbeitsumfeld durchweg positiv erlebt. „Ich bin vom ersten Tag an gut aufgenommen worden“, erinnert sie sich. Gleichzeitig habe man sie schon in der ersten Woche mit einem Fall aus dem für sie völlig neuen Ordensrecht betraut. Das habe nach intensivem Einlesen aber gut geklappt.
In Erinnerung bleibt Ahlers der Fall eines Priesters, der laisiert – also von den Rechten und Pflichten eines Klerikers entbunden – worden war, später aber doch wieder als Priester wirken wollte. Mit der erfolgreichen kirchenrechtlichen Begleitung dieses Prozesses habe ihre Abteilung eine Vorreiterrolle eingenommen, bis dahin habe es kaum vergleichbare Fälle gegeben.
Über ihre Kernaufgaben hinaus engagierte sich Reinhild Ahlers im Programm „Kirche im Mentoring – Frauen steigen auf“ als Mentorin. „Es ist gut, dass viele Themen in der Kirche besprechbarer geworden sind“, findet sie nicht nur im Hinblick auf die Rolle der Frau, „dazu hat Papst Franziskus wesentlich beigetragen.“ So äußerten sich etwa zum Thema gleichgeschlechtliche Partnerschaften heute ganz selbstverständlich Bischöfe, das sei früher undenkbar gewesen. Auch deshalb habe ihr Fachgebiet trotz aller Veränderungen Zukunft: „Das Kirchenrecht kann und muss dazu beitragen, Seelsorge im Wandel gut zu organisieren und zu strukturieren.“
Auch ihr persönlicher Blick richtet sich auf die Zukunft. Ahlers möchte entspannt in die neue Lebensphase starten. „Ich kann mir viele ehrenamtliche Aufgaben vorstellen, aber ich möchte auch die Welt erkunden“, sagt sie, „vor allem werde ich genießen, nicht mehr dauernd auf die Uhr gucken zu müssen.“ Der Kirche wünscht sie „dass sie mit weniger werdenden Gläubigen lebt, was Kirche ausmacht: Glauben und die Gestaltung menschlichen Zusammenlebens. Vielleicht bietet eine kleiner werdende Kirche die Chance, dass die, die sich einbringen, welche sind, die das wirklich wollen.“ So, wie sie selbst sich eingebracht hat.
Anke Lucht