Minutenlang lag sich die ukrainische Familie nachts um 3 Uhr in den Armen. Endlich in Sicherheit, angekommen bei dem großen Bruder in Deutschland. Eine Szene, die Max Dreckmann, Max Eickmann und Marco Schomacher mehrmals schlucken ließ. „Das vergisst man nicht, diese Erleichterung und Dankbarkeit in den Augen der Mutter und der Kinder.“ Sowieso liegen emotionale Tage hinter den drei Hauptamtlichen aus dem Bistum Münster, die nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine das Gefühl hatten, etwas tun zu müssen. Kontakte wurden hergestellt, viele Telefonate geführt, zwei Tage später ging es los. Mit einem Transporter voller Hilfsgüter machten sich die Studienfreunde auf den Weg, mit Flüchtlingen kehrten sie zurück.
Vieles war noch unsicher, als die drei in den Abendstunden am 28. Februar gen Osten starteten. Und vieles war nur möglich, weil Familie Sharko aus Altenberge, gebürtige Ukrainer, die einzelnen Stationen des Einsatzes von zu Hause aus koordinierte. „Sie hatten die Fäden in der Hand und haben Kontakte vor Ort hergestellt“, ist Marco Schomacher, Kirchenmusiker in der Pfarrei St. Johannes Baptist in Altenberge, den beiden dankbar. In den Stunden bevor sie starteten, hatten die drei einen Transporter organisiert, Max Dreckmann hatte von seiner Pfarrei St. Franziskus in Münster, in der er als Pastoralassistent arbeitet, die Zusage für die Übernahme der Spritkosten bekommen. Beladen wurde der Bulli mit Konserven, Tee, Wasser und diversen Hygieneartikeln, dazu noch Medikamentenspenden.
„Wir sind zwölf Stunden durchgefahren“, erzählt Max Eickmann, Pastoralreferent in St. Peter in Rheinberg. Der herzliche Empfang in der ukrainischen Gemeinde in Warschau verdrängte die Müdigkeit. Statt die Hilfsgüter selbst an der ukrainischen Grenze zu verteilen, wie ursprünglich geplant, übernahm das die ukrainische Gemeinde. „So konnten die Hilfsgüter gezielt zu Sammelstellen gebracht werden, dorthin, wo sie unmittelbar gebraucht werden“, freut sich Max Dreckmann über die Unterstützung. Zeit zum Erholen blieb wenig. Ein paar Stunden Schlaf, dann das erste Kennenlernen mit einer Familie und einer jungen Frau aus Lemberg, die es nach stundenlangem Ausharren an der ukrainischen Grenze nach Polen geschafft hatten. Ihr Ziel: Verwandte in Deutschland, wo sie sich Sicherheit in unsicheren Zeiten versprechen. Die Münsterländer nahmen sie mit, brachten die Mutter und ihre beiden Kinder zum ältesten Sohn nach Jena und die junge Frau ins Münsterland.
Auch wenn die drei Männer die Szenen an der Grenze des Kriegslandes nicht mit eigenen Augen gesehen haben, die Bilder und Videos, die ihnen die Menschen in der Gemeinde auf ihren Smartphones gezeigt haben, haben sich eingebrannt. Und ihre Erzählungen. „Tausende Menschen, die an der Grenze dicht an dicht stehen, um ihr Land verlassen zu wollen, eine Autoschlange so lang das Auge reicht“, gibt Marco Schomacher wieder, was er in den Videos gesehen hat. „Und dann die emotionale Seite: Wie muss es sich anfühlen, wenn man den Vater und den Bruder zurücklässt und nicht weiß, wann man sich wiedersieht?“, fragt sich der 31-Jährige. Seinen Kollegen Max Eickmann hat vor allem eins beeindruckt: „Die Ukrainer reden nicht das russische Volk schlecht, sondern ausschließlich Putin.“ Halt gebe den Ukrainern außerdem ein kollektives Bewusstsein. Bemerkenswert, findet Marco Schomacher: „Die ukrainische Flagge hat für die Menschen gerade eine ganz hohe Bedeutung. Es ist ein Zeichen, dass sie gemeinsam als Kollektiv für die Demokratie kämpfen“, so die Beobachtung des Kirchenmusikers.
Kleine Lichtblicke zwischen dauerhafter Betroffenheit und Mitgefühl, auch das haben die Männer erlebt. „Zum Beispiel als ich mit der jungen Frau mitten in der Nacht ukrainische Musik über Kopfhörer gehört habe“, sagt Max Dreckmann lachend. Ein Stück Normalität inmitten der unwirklichen Realität. Es sind diese Momente, die die drei Freunde motivieren, auch weiterhin zu helfen. Die Pläne für den nächsten Hilfseinsatz laufen schon.