Lippetalschüler auf den Spuren des „Löwen von Münster“

, Kreisdekanat Warendorf

Es ist eine Zeitreise ins Jahr 1941, die rund 250 Schülerinnen und Schüler der Lippetalschule sowie weitere Gruppen in den vergangenen Tagen unternommen haben. Täglich standen Oberstufenschüler, darunter Messdienerinnen und Messdiener der Pfarreien St. Ida in Herzfeld und Lippborg sowie Jesus Christus in Lippetal, im mobilen „Escape-Room“ mit dem Titel „Löwe von Münster“. Im Haus Idenrast in Herzfeld tauchten sie ein in die Geschichte, in der Clemens August Graf von Galen, früher Bischof von Münster, eine wichtige Rolle spielt.

„Escape-Rooms“ sind ein Abenteuerspiel, bei dem die Spieler Hinweisen folgen und Rätsel lösen, um ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Beim „Löwen von Münster“ haben die Teilnehmenden eine Stunde lang Zeit, um in der Rolle einer fiktiven Pfadfindergruppe verbotene Kopien der Predigten des Bischofs aufzuspüren. Ihr Gruppenleiter wurde dafür erst am Morgen von der Gestapo verhaftet, jetzt müssen sie die Predigten schnell aus seiner Wohnung verschwinden lassen. Kardinal von Galen hatte in seiner Predigt am 3. August 1941 öffentlich über die systematische Tötung von Menschen mit Behinderungen durch die Nationalsozialisten gesprochen. Wegen dieser und anderer mutiger Predigten gegen die menschenverachtenden Nazi-Gräueltaten wurde von Galen auch „Löwe von Münster“ genannt.

Im „Escape-Room“ im Haus Idenrast müssen die Schüler nicht nur die verbotene Predigt aufspüren, sondern werden am Ende vor die Wahl gestellt: Hätten sie damals den Mut gehabt, die gefundenen Flugblätter zu verteilen? Aus Sicht von Pastoralreferent Christian Hinse, der den Escape-Room nach Herzfeld geholt hat, ist die Thematik hochaktuell. In seiner Einführung schlägt er deshalb mit den Schülern den Bogen zur momentanen Situation, die auch die Jugendlichen beschäftigt – der Ukraine-Krieg, die einer Diktatur ähnelnde Politik Russlands, die dort eingeschränkte Meinungsfreiheit. „Wir müssen uns im Kleinen wie im Großen immer wieder neu von der Frage leiten lassen: Wie können wir heute handeln, damit so etwas nicht wieder passiert?“, sagt er. 

Jugendliche und Erwachsene sind in den vergangenen Tagen im Escape-Room „Löwe von Münster“ Kardinal von Galen und seiner Predigt auf die Spur gekommen.

© Christian Hinse

Die Schüler sind derweil mittendrin, im Jahr 1941. Immer wieder das Motorengeräusch vorbeifahrender Militärfahrzeuge, drängende Telefonanrufe, sich doch bitte zu beeilen, dann das abrupte Stoppen des Gestapo-Lastwagen– auch emotional tauchen die Schüler ein in die Zeit des „Löwen von Münster“. „Es ist erstaunlich, mit welch einfachen Mitteln eine authentische Atmosphäre erreicht werden kann, die einen in die Zeit von früher hineinzieht“, sagt Niklas Wulkow aus der Q1, der zum ersten Mal einen Escape-Room besucht hat und die Idee und die Rätsel beeindruckend detailreich umgesetzt findet.

Motiviert von einer Idee des Schulseelsorgers Markus Hachmann aus Emsdetten, haben die selbstständigen Escape-Room-Betreiber Winfried Hachmann und Matthias Hecking aus Theaterwänden und Original-Requisiten eine mobile Raum-in-Raum-Installation geschaffen. Eine alte Schreibmaschine, ein Telefon mit Wählscheibe, ein Diaprojektor – alle Geräte funktionieren und sind wichtig, um die Rätsel zu lösen. Während sich die Schüler auf die Suche nach der Predigt des Bischofs machen, sitzt Hecking selbst im benachbarten Regie-Raum, beobachtet die Handlungen der Schüler über eine Kamera und kann über Lautsprecher Kontakt zu ihnen aufnehmen, ab und zu einen Hinweis geben. „Durch den Escape-Room sollen die Schüler Kardinal von Galen besser kennenlernen, seine Persönlichkeit soll lebendig werden“, sagt Hecking. Doch es ist nicht nur das Spiel, nicht nur die Figur des „Löwen von Münster“, die er den Schülern mitgeben möchte. „Früher wie heute ist Mut erforderlich, um sich in der Gesellschaft einzumischen, die Komfortzone zu verlassen und Zivilcourage zu zeigen“, ist er überzeugt. Genau dazu solle der „Escape-Room“ gerade junge Menschen ermutigen.

Ann-Christin Ladermann