Luca Rusch: Junges Engagement – anders als man denkt

, Bistum Münster

Themen gibt es viele, Meinungen noch mehr. Nicht immer werden sie sachlich vorgebracht und ausgetauscht. Und viel zu oft bestimmen Empörung, Negativität, Ich-Bezogenheit und gegenseitige Attacken die Diskussionen. „Die Montagsmeinung“, das Meinungsformat des Bistums Münster, soll hier ein anderes Zeichen setzen. Persönlichkeiten aus Gesellschaft und Kirche, die sich dem Bistum verbunden fühlen, setzen sich darin mit Themen auseinander, die für sie und andere relevant und aktuell sind. Die Autorinnen und Autoren lassen es aber nicht bei Klagen und Kritik. Sie haben vielmehr konstruktive Ideen und Lösungsansätze. Diese teilen sie mit uns an dieser Stelle alle 14 Tage montags.

Die Montagsmeinung kennt keine Sommerpause, die heutige Ausgabe hat Luca Rusch verfasst. Er lebt in Kamp-Lintfort und engagiert sich seit vielen Jahren mit und für junge(n) Menschen. In seiner Pfarrei St. Josef ist er als Messdiener und im Kirchenvorstand aktiv und organisiert die jährliche Messdienerfreizeit. Darüber hinaus gibt er im Bistum Münster Schulungen zur Prävention und Gruppenleitung.

Neulich fiel er wieder, dieser Satz, der so oft im Ehrenamt auftaucht: „Die Jugend von heute will sich einfach nicht mehr engagieren.“ Und wie so oft habe ich innerlich den Kopf geschüttelt. Nicht, weil das Anliegen falsch wäre – Nachwuchs zu finden, ist herausfordernd. Sondern, weil der Satz den Kern verfehlt. Denn das Engagement junger Menschen ist da. Es sieht heute nur anders aus, als es sich viele der älteren Generation vorstellen.

Ich erlebe junge Menschen, die mit viel Energie Ferienfreizeiten organisieren, mit vollem Einsatz bei der 72-Stunden-Aktion dabei sind oder sich politisch einbringen. Nicht aus Pflichtgefühl, sondern weil sie etwas bewegen wollen und es ihnen Spaß macht, sich für andere einzusetzen.

Das Problem ist nicht fehlende Motivation, sondern die Tatsache, dass Engagement heute anders funktioniert. Ganztagsschule, Leistungsdruck, Nebenjobs, familiäre Verpflichtungen: Wer jung ist, lebt in einem dichten Zeitplan. Wer sich dann noch engagiert, tut das nicht nebenbei, sondern sehr bewusst. Es sind kleine Zeitfenster, die sinnvoll gefüllt werden wollen. Engagement muss heute in den Alltag passen, begeistern und Freude machen.

Die Zahlen aus dem Ehrenamtsatlas 2024 zeigen: 58 Prozent der 18- bis 29-Jährigen in NRW engagieren sich ehrenamtlich1. Das ist eine starke Quote – höher als im Durchschnitt der Gesamtbevölkerung. Sie tun es meist mit weniger Stunden im Jahr, kürzer, projektbezogener, und wünschen sich Flexibilität, Beteiligung, Verlässlichkeit. Wer das nicht bieten kann, bleibt für viele uninteressant.

Was ich daraus mitnehme: Junge Menschen wollen sich einbringen, aber zu ihren Bedingungen. Das ist kein Mangel, sondern ein Zeichen von Selbstbewusstsein. Sie übernehmen Verantwortung, wenn man sie lässt. Sie gestalten mit, wenn man ihnen etwas zutraut. Sie steigen aus, wenn Strukturen zu starr sind, Aufgaben an ihnen vorbei geplant werden oder man nur fordert, ohne zuzuhören.

Einfach ist es nicht, es braucht Geduld, Umdenken und manchmal das Loslassen von Gewohntem. Aber es lohnt sich. Denn dort, wo Engagement gut begleitet wird, wo man jungen Menschen zuhört und echte Beteiligung möglich macht, entsteht etwas sehr Kraftvolles: junge Verantwortung, getragen von echter Überzeugung.

Für mich ist klar: Engagement junger Menschen ist da. Aber damit es bleibt, braucht es Räume, die offen sind. Aufgaben, die Sinn machen. Und eine Haltung, die nicht fragt: „Warum engagiert ihr euch nicht wie früher?“, sondern: „Wie können wir euer Engagement bei uns so gestalten, dass es zu euch und eurer Lebensrealität passt?“


1 forsa: EhrenamtAtlas NRW 2024, S. 2, online abrufbar


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