Malteser Hilfsdienst betreibt in Recklinghausen eine Flüchtlingsunterkunft
"Engagement ist das Letzte, was uns fehlt." Dass dieser Ausspruch von Andreas Cziudej keine leere Worthülse ist, merkt man, wenn man mit ihm durch die Notunterkunft Recklinghausen III geht.
Der 35-Jährige leitet seit Anfang Dezember die Zeltstadt auf dem ehemaligen RAG-Holzlagerplatz, in der der Malteser Hilfsdienst bis zu 1000 Flüchtlinge betreuen kann. Weitere Notunterkünfte betreiben die Malteser im Bistum Münster zudem in Dorsten, Goch und Rees sowie gemeinsam mit anderen Verbänden in Münster.
In Recklinghausen stehen insgesamt vier Leichtbauhallen für die Unterbringung zur Verfügung. Zwölf Flüchtlinge teilen sich eine Wohneinheit, die mit Etagenbetten und Spinden ausgestattet ist. Am Ende eines Zeltes befinden sich Waschgelegenheiten und Toiletten. "Wir haben die Hallen so aufgebaut, dass die Sanitärbereiche für Frauen und Männer deutlich voneinander getrennt sind", erklärt Cziudej. Die ersten Gäste sind vornehmlich Familien. Von den 152 Bewohnern sind allein 60 Kinder und Jugendliche. Lediglich 15 Alleinreisende zählten zu den Ankommenden. "Das ist eher untypisch", sagt Cziudej.
Geachtet hat das Team bei der Unterbringung darauf, dass die Bereiche für Familien und Alleinreisende getrennt sind. "Die Bedürfnisse sind sehr unterschiedlich. Wir haben auch versucht, Wünsche der Flüchtlinge zu berücksichtigen", sagt er. So sind in einigen Wohneinheiten beispielsweise Menschen untergebracht, die sich auf der langen und gefährlichen Flucht aus Syrien kennengelernt haben. "Und da wir im Moment die Kapazitäten haben, ist pro Wohneinheit meistens nur eine Familie untergebracht", berichtet er.
Auf dem weitläufigen Areal gibt es zudem ein Essenszelt, ein Zelt für die Kinder, eines, in dem sich die Bewohner in ihrer Freizeit aufhalten können und der Deutschunterricht stattfindet, ein Zelt, in dem Bekleidung und ein Raum mit Waschmaschinen und Trocknern untergebracht ist, sowie eine Halle, die für die Ankommenden die erste Station ist. "An dieser Stelle werden die Menschen registriert und von Ärzten untersucht", berichtet Cziudej. Jeder Ankommende erhält zudem ein Willkommenspaket. "Und für die Kinder ist immer ein Stofftier dabei. Darüber freuen sie sich besonders", sagt der Familienvater.
Besonders glücklich und stolz ist der Leiter der Einrichtung auf die vielfältige Unterstützung, die von ‚außen‘ kommt. "Das sind alles Spenden", sagt Cziudej und zeigt auf die riesige Kleiderkammer. Schuhe, Hosen, Jacken, Mäntel, für Kinder, Frauen und Männer. Aber auch Tische und Stühle oder Stellwände, die zu einer Umkleidegarderobe umfunktioniert wurden, erhielten sie ebenso geschenkt wie Spielzeug für die Kinder.
Doch nicht nur über Sachspenden freut sich der Familienvater. Die Zusammenarbeit mit den Kirchengemeinden vor Ort sei ebenfalls sehr gut. Ansprechpartner für die Ehrenamtlichen ist Oliver Dembski. Der 44-Jährige ist der pädagogische Leiter der Notunterkunft. Viele Ehrenamtliche lassen sich für unterschiedliche Aufgaben ansprechen. Regelmäßig kommen Menschen, die sich um die Flüchtlinge in vielfältiger Weise kümmern. Sei es als Deutschlehrer oder zum Spielen mit den Kindern. "Ein Lauftreff für Frauen ist ebenso im Aufbau", erklärt er.
Fast 70 Mitarbeiter hat Cziudej eingestellt. Viele von ihnen haben selbst einen Migrationshintergrund. Die meisten sind in der Betreuung tätig, beispielsweise als Dolmetscher. Ihnen allen ist gemeinsam, dass sie mit viel Herzblut ihre Arbeit ausfüllen. Die Küche wird von einer Tochtergesellschaft der Malteser betrieben. "Es ist ein ständiger Lernprozess, was die Bewohner essen und was nicht. Deshalb sind wir froh, dass wir Menschen haben, die uns helfen und sich auskennen. Denn wir wollen mit unserer Kultur nicht an die Kultur der Bewohner anecken", sagt er mit Blick auf die Mitarbeiter, die einen Migrationshintergrund haben.
"Und wir beginnen hier schon mit der Integration", erklärt Cziudej und verweist auf die Arbeit in der Kindertagesstätte. Zudem erstellen die Mitarbeiter eine Mappe, in der typische deutsche Umgangsformen beschrieben sind. "Wir haben es uns auch zur Aufgabe gemacht, den Menschen zu vermitteln, wie sich das Leben in Deutschland gestaltet", sagt er.
Cziudej füllt seine Arbeit mit Herz und Seele aus. Er weiß aus eigener Erfahrung, wie es ist, als Flüchtling in einer neuen Welt anzukommen. Denn im Alter von sieben Jahren ist er mit seiner Familie aus Polen nach Deutschland geflohen. Seine erste Station war das Grenzdurchgangslager Friedland, später die Landesstelle Unna-Massen bis er in Wesel eine neue Heimat gefunden hat. Seit 2008 arbeitet er bei den Maltesern. In seiner Freizeit ist er unter anderem in seiner Kirchengemeinde als Katechet aktiv.
Bedürftigen zu helfen, das ist das Leitmotiv der Malteser. "Ich finde es wichtig, dass sich unser christliches Selbstverständnis in unserer Arbeit wiederspiegelt", ist er überzeugt. "Das muss man nicht an der Religion festmachen. Das ist einfach menschlich", betont er.
Bildunterschrift: Mit Hilfe des Dolmetschers Anouar Ennaciri erkundigt sich Andreas Cziudej (rechts) nach den Wünschen der Kinder.
Text: Bischöfliche Pressestelle / 11.03.16
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