Dass Glaube nichts Selbstverständliches ist, hat Jahn von Kindesbeinen an erfahren. Geboren in der Sängerstadt Finsterwalde im Bistum Görlitz, wuchs er in der ehemaligen DDR auf, geprägt von der Diaspora. „Ich war der einzige Katholik in meiner Jahrgangsstufe“, erinnert er sich. Seine Eltern erzogen ihn und seinen Bruder bewusst im katholischen Glauben, die Kirche war „ein zweites Zuhause“ für die Familie. Nach der Ausbildung führte ihn sein Weg nach Münster, wo er sich sicher war, endlich seinen katholischen Glauben leben zu können. „Stattdessen habe ich einen totalen Kulturschock erlitten“, sagt er, „der Unterschied zwischen Volksglaube und Diaspora hätte nicht größer sein können“.
Enttäuscht von dem Gefühl, dass viele Menschen in seiner neuen Heimat nur auf dem Papier katholisch sind, erinnerte er sich an die Worte seines Vaters, die er ihm beim Auszug mit auf den Weg gegeben hatte: „Wir gehören einer Weltkirche an und immer, wenn Du irgendwo eine katholische Kirche findest, wirst Du ein Zuhause haben.“ Dieses Zuhause fand der OP-Pfleger in der ersten Zeit in der Klinikenkirche des UKM.
"Dieses Gespräch hat das Feuer so richtig zum Brennen gebracht"
Am Arbeitsplatz lernte Michael Jahn seine Frau – ebenfalls OP-Fachkrankenschwester – kennen. Nach der Heirat zog das Ehepaar ins Kreuzviertel und suchte den Kontakt zur Heilig-Kreuz-Pfarrei. Seine Frau, die zwar evangelisch ist, aber dennoch mit der katholischen Liturgie vertraut ist, wurde Mitglied im Gemeindechor, Jahn selbst engagierte sich als Lektor und Kommunionhelfer. Als vor fünf Jahren der damalige Pfarrer Thomas Frings anfragte, ob er sich vorstellen könne, Diakon zu werden, wusste Jahn zunächst nichts damit anzufangen. Aus seiner Heimat im Osten war ihm nur das Amt des Diakonatshelfers vertraut, das er selbst als junger Mann ausgeübt hatte. Doch die Frage des Pfarrers hatte einen Funken entfacht, und einen vertrauten Gedanken geweckt: Denn schon einmal, kurz nach der Ausbildung, hatte er den Ruf verspürt, einen geistlichen Weg zu gehen. Jahn rief beim Institut für Diakonat und pastorale Dienste im Bistum Münster an, eine halbe Stunde später saß er mit seiner Ehefrau im Büro von Professorin Margret Nemann, der damaligen Leiterin. „Dieses Gespräch hat das Feuer so richtig zum Brennen gebracht“, blickt er zurück.
Seit vier Jahren bereitet sich der 39-Jährige auf den Schritt vor, eine Zeit, die ihn verändert hat. „Die theologische Auseinandersetzung und das Miteinander in der Gruppe haben meinem Leben eine neue Richtung gegeben“, sagt Jahn. Habe er zuvor noch einen recht kindlichen Glauben gehabt und aufgrund einer chronischen Erkrankung seines Sohnes mit dem Glauben gehadert, habe er in dieser Zeit „tief zum Glauben zurückgefunden“. Immer wieder sei er Menschen begegnet, die ihm die Richtung gewiesen, Halt gegeben und ab und an auch den Spiegel vorgehalten hätten. „Mir ist klar geworden, dass ich von Gott gerufen bin, glaubwürdig seine Botschaft zu leben. Und scheinbar muss dieser Weg auch ausstrahlen, genau das möchte ich als Diakon versuchen“, fasst er zusammen.
Im Pfarreialltag wird er sich in verschiedenen Bereichen einbringen. Schon jetzt hilft er bei der monatlichen Kinderkatechese. „Wir sprechen nur wenig über unseren Glauben, auch im Religionsunterricht kommt das so direkt nur selten vor“, kritisiert Jahn. Die Kinderkatechese sieht er als Chance, um mit Kindern über den Glauben im Alltag zu sprechen. Regelmäßig wird er Taufen und Trauungen übernehmen und in der Liturgie assistieren.
Zuhören, sensibel sein, Halt geben
Diakon sein, das bedeutet für Jahn vor allem „für die Menschen da zu sein, die nicht im Licht stehen“. Er hat besonders die Kranken und alten Menschen sowie die Einsamen und sozial Ausgegrenzten im Blick. „Davon gibt es auch bei uns im Kreuzviertel viele“, sagt er. Das Angebot, das jetzt noch den Begriff Krankenkommunion trägt, möchte er darum ausweiten: „Aus dem Gottesdienst heraus soll die Kommunion zu denen gebracht werden, die nicht dabei sind – egal aus welchen Gründen.“ Widmen möchte sich der 39-Jährige außerdem den Trauernden: „Ich möchte einen Kreis aufbauen in Form einer Trauerbegleitung, die über die Zeit bis zur Beerdigung hinausgeht. Wie geht es den Angehörigen ein halbes oder ein ganzes Jahr nach dem Verlust? Diese Fragen sollen einen Raum bekommen“, beschreibt er.
Die Botschaft Jesu im Alltag leben – das möchte Jahn als Ständiger Diakon mit Zivilberuf ganz bewusst umsetzen. „Das kann ein einfaches Lächeln im OP oder ein hoffnungsspendendes Gespräch mit einem Patienten sein“, denkt er an Situationen in seinem Berufsalltag. Zuhören, sensibel sein, Halt geben – „dafür müssen wir nicht mit einem großen Kreuz vor uns rumlaufen“, sagt der Familienvater. Menschen, die in Not sind, gebe es viele. „Man muss nur genau hinsehen.“
Ann-Christin Ladermann