„Niederlage für die Menschenrechte“

, Kreisdekanat Steinfurt

Wenn in den Nachrichten aus Afghanistan berichtet wird, hört Andreas Ullrich ganz besonders hin. Vier Monate war der Pfarrer der Laerer Pfarrei Heilige Brüder Ewaldi  am Hindukusch, hat sich als Militärseelsorger zwischen November 2005 und März 2006 um die deutschen Soldaten im Auslandseinsatz gekümmert. Auch wenn das schon einige Zeit her ist und inzwischen die Taliban wieder an der Macht sind, Afghanistan und die Menschen dort lassen Ullrich nicht los.

Pfarrer Andreas Ullrich

Pfarrer Andreas Ullrich war von November 2005 bis März 2006 als Militärseelsorger im Auslandseinsatz in Afghanistan. Ein Fotobuch erinnert ihn an diese Zeit, die ihn bis heute nicht loslässt.

© Bistum Münster

Bis vor einem Jahr waren Soldatinnen und Soldaten aus verschiedenen Ländern in Afghanistan, auch aus Deutschland. Sie sollten das Land von Terrorgruppen befreien, für mehr Sicherheit sorgen und damit Organisationen beim Aufbau humanitärer Hilfen unterstützen. Doch nach dem Abzug der westlichen Truppen eroberten die Kämpfer der Taliban die Macht schnell zurück. Als Niederlage will Pfarrer Ullrich dies nicht werten. Und er sucht auch keinen Verantwortlichen für das Scheitern der Mission: „Afghanistan und die Gebiete drumherum sind schwierig.“ Zum einen wegen der geographischen Lage: „Es gibt Regionen, in denen man nur mit einem Esel weiterkommt“, weiß Ullrich. Schwierig aber auch kultur-historisch betrachtet: „Sie haben nicht darauf gewartet, dass wir ihnen unsere westliche Demokratie bringen.“ Afghanistan sei ein Land mit vielen verschiedenen Ethnien, so der Laerer Pfarrer weiter, die sehr unterschiedliche Einflüsse haben.  

Klar ist für den ehemaligen Militärpfarrer, der in seiner Dienstzeit auch mit im Kosovo war, dass die Machtübernahme der Taliban eine Niederlage für die Menschlichkeit, für die Menschenrechte ist: „Zumindest nach unserem Verständnis.“ Das, fügt er an, wolle er aber nicht gleichsetzen mit einer Niederlage des militärischen Einsatzes in Afghanistan, an dem eben auch die Bundeswehr beteiligt war.

Die Frage, ob die westliche Mission dem Land nachhaltig etwas bringe, habe die Soldatinnen und Soldaten bereits 2005/2006 beschäftigt, erinnert sich Ullrich an unzählige, nicht nur seelsorgliche Gespräche. Zurecht, wie sich heute zeige. Dazu sei bei den Kameradinnen und Kameraden oftmals die Angst vor möglichen Verwundungen und auch vor dem eigenen Tod gekommen. In ihren Zweifel und Sorgen war der Pfarrer ein wichtiger Ansprechpartner: „Dabei spielte die Konfession keine Rolle.“ Auch der sonntägliche Gottesdienst in der zur Kapelle umfunktionierten Holzunterkunft sei immer gut besucht gewesen.

17 Jahre später ist die Welt eine andere geworden, ein Krieg in Europa beschäftigt Politik und Gesellschaft. Und dennoch behält Pfarrer Ullrich zu Hause in Laer das Geschehen in Afghanistan, die Not der Menschen in dem Land, die unter dem Terror der Taliban leiden, im Blick.

Gudrun Niewöhner