„Ökumene darf kein Beiwerk zur üblichen Pastoral sein. Sie muss mitten ins Herz des gemeinsamen Wirkens gehen.“ Mit diesem Statement ließ Münsters Bischof Dr. Felix Genn beim Festakt zum 50-jährigen Bestehen der Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) in NRW am 18. Oktober keinen Zweifel an der Bedeutung dieser Bewegung, die die Vielfalt der Konfessionen sichtbar machen und auch den kleineren Kirchen eine Stimme geben soll. Die Gründung der ACK NRW im September 1972 geht auf die Initiative des westfälischen Präses Ernst Wilm zurück, der schon 1966 Vertreter evangelischer Freikirchen, altkatholischer Gemeinden und der westfälischen Landeskirche zur organisatorischen Festigung ihrer Zusammenarbeit einlud. Heute gehören der Arbeitsgemeinschaft 36 Mitgliedskirchen an, fünf davon im Gaststatus.
An der Festveranstaltung in der katholischen Akademie Franz Hitze Haus in Münster nahmen Vertreter der orthodoxen, orientalisch-orthodoxen, römisch-katholischen, freikirchlichen und evangelisch-landeskirchlichen Mitgliedskirchen teil. In einem Podiumsgespräch über die Herausforderungen und Chancen der Ökumene diskutierten neben Bischof Genn auch Bischof Harald Rückert von der evangelisch-methodistische Kirche in Deutschland, Bischof Emmanuel von Christoupolis von der griechisch-orthodoxen Metropolie von Deutschland sowie Landessuperintendent Dietmar Arends.
Arends rief dazu auf, im gegenseitigen Hören und Verstehen nicht nachzulassen. „Es braucht einen langen Atem, um die Ökumene zu gestalten“, wusste der Vertreter der Lippischen Landeskirche. Doch er machte Mut: „Kein Graben ist so tief, als dass es sich nicht lohnen würde, Brücken zu bauen“, erklärte er mit Blick auf die weltweite Ökumene, die einen Beitrag zur Versöhnung und Überwindung der Trennungen zwischen den Kirchen leisten möchte. Rückert appellierte an die christlichen Vertreterinnen und Vertreter, ehrlich zu sein und ohne Angst miteinander gemeinsame ökumenische Wege zu suchen.
Charta Oecumenica war wichtiger Meilenstein
Der Vorsitzende der ACK Deutschland, Erzpriester Radu Constantin Miron, blickte in seinem Festvortrag auf die Gründungszeit der ACK in NRW zurück und erinnerte mit Dankbarkeit an die „ökumenischen Pioniere jener Zeit, die Weitsicht und Mut bewiesen haben, den man damals noch benötigte, um ökumenisch zu sein“. Als wichtigen Meilenstein der Geschichte der ACK hob Erzpriester Miron insbesondere die Unterzeichnung der Charta Oecumenica auf Bundesebene vor 20 Jahren hervor, deren Text auch nach wie vor „ein Grundsatzpapier unseres ökumenischen Statuses“ darstelle und gleichzeitig „eine To-Do-Liste unseres ökumenischen Handelns“ sei. Wichtig für die ökumenische Arbeit sei daher weiterhin die Frage nach dem Ziel der Ökumene: „Bedeutet Einheit Einheitlichkeit oder Vereinheitlichung?“, fragte Miron.
Die Kirchen in Deutschland stünden vor vielen Herausforderungen in einem multikulturellen und multireligiösen Umfeld, daher gehöre „multireligiöses Denken und Handeln zu den Kernkompetenzen, ohne die Ökumene in Zukunft nicht denkbar“ sei, so der Vorsitzende. Mit Blick auf den Krieg in der Ukraine in Verbindung mit der russisch-orthodoxen Haltung plädierte Miron für eine Unterscheidung, die in diesem Kontext „noch wichtiger und erforderlicher sei als bisher“. Miron schloss mit einem Appell zur Zukunft der Ökumene: „Verwandeln wir die Welt! Verwandeln wir die Kirchen! Wandeln wir uns selbst! Das gilt auch für die nächsten 50 Jahre!“
Sich gemeinsam für Dritte einsetzen
Beim anschließenden Festgottesdienst in der Überwasserkirche in Münsters Innenstadt bezeichnete die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen und Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland, Dr. Annette Kurschus, Ökumene als eine Daueraufgabe. „Die Ökumene ist eine göttliche Aufgabe, der wir uns nur gemeinsam nähern können“, verdeutlichte sie in ihrer Predigt. Sie ermutigte dazu, miteinander zu reden: „Lieber lauten Streit riskieren als sich hinter stummer Gleichgültigkeit oder schweigender Feindseligkeit zu verschanzen.“
Nicht alle Konflikte müssten gelöst sein, um zusammenarbeiten zu können. „Manchmal hilft es ungemein, wenn man sich zusammen für Dritte einsetzt, zum Beispiel Geflüchtete unterstützt oder gemeinsam einen Baum rettet und dabei spürt: Es geht nicht um uns, sondern um Christus.“ Unterschiedliche Ansichten beispielsweise vom geistlichen Amt oder vom Mahl feiern dürfe es geben, denn „Versöhnung und Frieden sind kein Zustand, sondern ein Weg“, betonte Präses Kurschus. Klare Worte fand sie mit Blick auf das Judentum. Der Dialog gehöre unverzichtbar zur christlichen Gemeinschaft: „Ökumene verträgt keinen Antisemitismus.“