Geschockt, fassungslos, ratlos, erschüttert, hilflos – so schilderten die Teilnehmer ihre Emotionen während der Predigt des emeritierten Pfarrers. „Er hat nicht gefragt, was los ist, es fehlte an Sensibilität“, so ein Wortbeitrag.
Richtig sei es gewesen, der Predigt zu widersprechen. „Gut, dass wir mittlerweile die Sprache und die Offenheit in der Kirche haben, und sie nutzen“, wurde aus dem Publikum angemerkt.
Besonders beschäftigte die Teilnehmer auch nach einer Woche die Tatsache, dass Zurkuhlen zum einen im Nachklang von einem „schreienden Mob“ gesprochen habe, gegen den er „nicht angekommen“ sei. „Wir haben die Kirche ruhig verlassen und uns auf dem Vorplatz versammelt“, machte eine Frau deutlich. Tumulte habe es nicht gegeben.
Zum anderen war immer wieder die fehlende Opferperspektive, der mangelnde Respekt Zurkuhlens vor den Betroffenen Thema in den zahlreichen Wortbeiträgen, die von Beate Meintrup, Präventionsbeauftragte des Bistums Münster, und Michael Sandkamp, Koordinator der Präventionsschulungen an Bischöflichen Schulen, moderiert wurden. „Frauen, die statt über ihre Ex-Männer zu lästern, denen doch besser vergeben sollten, gleichzusetzen mit einem Anspruch des Vergebens von Missbrauchstätern den Opfern gegenüber, ist ungeheuerlich“, hieß es.
„Es geht hier nicht primär um die Rettung der Kirche, sondern um Gerechtigkeit für die Betroffenen sexuellen Missbrauchs“, sagte Stefan Rau, und widersprach damit deutlich Ulrich Zurkuhlen, der – auch dem Empfinden der Gottesdienstteilnehmer nach – „nicht anerkannt hat, was gerade als Reaktion auf seine Predigt passierte, und die Opferperspektive völlig vermissen ließ.“
Mit dem Verlauf der Veranstaltung zeigte sich Rau zufrieden: „Wir wollten ein Forum bieten, das Erlebte ein Stück weit zu verarbeiten und gemeinsam darüber zu sprechen. Das ist wohl gelungen.“ Im Übrigen stehe die Veranstaltung in der Tradition des Dialogs und des Miteinanders auf Augenhöhe. Beides habe in der Gemeinde Heilig Geist, aber auch in der Pfarrei St. Joseph Münster-Süd einen hohen Stellenwert. Das wurde Rau auch aus dem Publikum bestätigt: „Diese Gemeinde lebt aus der Kraft der Menschen, die sie bilden.“ Und: „Eine offene Diskussion wie diese zeigt mir, dass ich nach all den schlimmen Erfahrungen, die ich machen musste, vielleicht doch irgendwann in die Kirche zurückkehren kann.“
Julia Geppert